Oberstadtaufzug: In Marburg der schnellste Weg in die Altstadt
Unsere Serie zu Städten mit Höhen und Tiefen brachte uns zuletzt in Portugals Hauptstadt Lissabon. Dieses Mal bleiben wir in heimischen Gefilden. Zwischen Kassel und Frankfurt, im Norden von Hessen, liegt völlig unscheinbar das kleine Schmuckstück Marburg. Die Touristenattraktion der Stadt schlechthin ist die historische Altstadt. Wie wir sie am bequemsten erreichen? Mit dem Aufzug!
Wer sich Marburg nähert, legt unweigerlich den Kopf in den Nacken: Imposant erhebt sich die Altstadt mit fachwerklicher Häuserkulisse aus der Landschaft empor. Von weither ist die Stadt zu sehen. Ihre Krone bildet das Marburger Schloss – ein ehemaliges Landgrafenschloss aus dem 11. Jahrhundert in fast 300 Metern Höhe. Ein wenig tiefer, jedoch nicht weniger beeindruckend, liegt die Elisabethkirche. Sie gilt als Meisterwerk der Gotik, an dem sich sogar die Bauleute des Kölner Doms und der Straßburger Paulskirche seinerzeit orientiert haben sollen.
Gotik, Landgraf, Fachwerk – das klingt doch nach längst vergangenen Zeiten. Und ja, der Weg in Marburgs Altstadt gleicht einer Reise in die Vergangenheit. Um sie anzutreten, führt der erste Schritt sogar in eine echte Zeitmaschine: Mehrere Aufzüge am Pilgrimstein verbinden die tiefergelegenen Marburger Stadtteile mit dem historischen Stadtkern. Gut festhalten, es geht nach oben!
Marburg, die „Bergstadt“ an der Lahn
„Mehr Treppen auf den Straßen als in den Häusern.“ So beschrieben die Brüder Grimm das Stadtbild Marburg. Die Väter vieler deutscher Märchen zog es Anfang des 19. Jahrhunderts in die Universitätsstadt, wo sie einige Jahre verbrachten. Ihr Eindruck von Marburg kommt nicht von ungefähr: Aufgrund der steilen Hänge und Erhebungen bewegt man sich in der Marburger Innenstadt kaum ebenerdig. Immer geht es auf oder ab – über zahlreiche Treppen und sich windende Gässchen. Ziemlich anstrengend! Nicht selten müssen wir auf unseren Wegen durch die Altstadt stehenbleiben und nach Luft schnappen. „Zu Marburg muss man seine Beine rühren und Treppe auf, Treppe ab steigen", fasst es Jacob Grimm treffend zusammen.
Die Höhenunterschiede in der Stadt sind auf die geografische Lage zurückzuführen. Marburg liegt im Marburger Bergland, ein Mittelgebirge entlang der Lahn, das unter anderem den Marburger Rücken und die Lahnberge umfasst. Der höchste Berg im Stadtgebiet Marburgs ist über 400 Meter hoch. Der Schlossberg dagegen schießt „nur“ 300 Meter in die Höhe. Auf seiner Spitze befindet sich das namensgebende Schloss, knapp darunter der historische Stadtkern. Die exponierte Lage gab der Altstadt ihren Beinamen: Oberstadt.
Marburger Oberstadt: Kneipen und Gastronomie prägen das Flair
Wohin das Auge blickt: Studenten. Ein Viertel der rund 80.000 Bewohner von Marburg studieren – entweder an der Philipps-Universität oder an einer der vielen Hochschulen der Stadt. Der oft bemühte Spruch „Marburg hat keine Uni, sie ist eine Uni“ trifft ohne Frage zu. Abends und nachts treffen sich Akademiker und die, die es werden wollen, zum Sinnieren, Quatschen und – ja, auch das – zum Trinken in der Oberstadt. Mit den Worten „Mein Sohn ist in Marburg und trinkt Bier“, beschrieb der Vater von Chemiker Otto Hahn die Umtriebe seines Sohnes in Marburg.
Kneipen betritt man, wie kann es in Marburg anders sein, meist über eine steile Treppe. Nach unten steigen die Durstigen in Richtung Gastraum. Niedrige Decken, gedimmtes Licht, grobe Balken und Holzvertäfelung verbreiten eine schummrige Atmosphäre, in der die Stunden – und das Bier – nur so dahinfließen. Empfehlenswert sind das Delirium und der Frazzkeller: zwei Kneipen, die übereinander direkt am Hang des Schlossberges sitzen und einen spektakulären Blick in die Ferne bieten. Erstis – also Studenten im Erstsemester – trinken hier (und zwar nur hier) traditionell einen besonderen Schnaps: Rostiger Nagel. Der Mix aus Rum, Ingwer und Tabasco zieht einem die Schuhe aus.
Frazzkeller und Delirium befinden sich am Steinweg, eine der steilsten Straßen Marburgs. Nicht weit entfernt liegt das legendäre Sudhaus. Auch ein Ort, der einen gern einmal verschluckt. Apropos Einverleiben: Wer Hunger hat, macht sich auf in die nicht weit entfernte Barfüßerstraße. Fachwerkhäuser reihen sich hier schief und krumm aneinander – und darin einige Restaurants.
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Mit dem Aufzug zu Marburger Sehenswürdigkeiten
Wenn wir es nach langer Nacht mit dem Oberstadtaufzug wieder sicher nach unten und in unsere Betten geschafft haben, steht einer Tagestour zu den Marburger Sehenswürdigkeit nichts entgegen. Um in die Gänge zu kommen, starten wir mit einem gemütlichen Bummel durch die Oberstadt. Es gibt überall etwas zu entdecken: Steinerne Brunnen und Skulpturen, kleine Lädchen und Cafés, mittelalterliche Häuschen und Gässchen.
Wer danach ein wenig Lust auf Kultur und Architektur hat, sollte diese Sehenswürdigkeiten nicht verpassen:
Landgrafenschloss
Das mittelalterliche Schloss ist ein Muss für jeden Marburg-Besucher. Wo einst Fürsten und Grafen wanderten, setzen wir jetzt unsere Schritte hin.
Elisabethkirche
Der Deutsche Orden errichtete sie ab 1235 über dem Grab der Heiligen Elisabeth von Thüringen. Neben dem Bau an sich sind die Glasfenster und der mit Edelsteinen geschmückte Elisabeth-Schreib besonders beeindruckend.
Spiegelslustturm
Ihr wollt noch höher hinaus? Dann geht’s zum Kaiser-Wilhelm-Turm, von den Marburgern Spiegelslustturm genannt. Der Panoramablick ist phänomenal. Doch Vorsicht: Ein Aberglaube besagt, dass Studenten den Turm erst nach Abschluss ihrer Zwischenprüfungen besteigen sollten, da sie sonst an dieser Prüfung scheitern werden.
Grimm-dich-Pfad
Um die Brüder Grimm, die zeitweiligen Marburger, zu ehren, sind in der gesamten Altstadt Figuren aus ihren Märchen aufgestellt. Von Froschkönig über Schneewittchen bis zum Fischer und seiner Frau: Die Route zu allen Figuren führt quer durch die Oberstadt.
Übersicht: Aufzüge in die Marburger Innenstadt
Doch wenden wir uns nun den Verkehrsmitteln zu, mit denen wir so bequem die Höhenunterschiede in Marburg überwinden: den Oberstadt-Aufzügen. Zwei Aufzug-Anlagen mit insgesamt vier Aufzugskabinen verbinden die unteren Stadtteile mit der historischen Altstadt.
Oberstadtaufzug Rudolphsplatz
Die Aufzugkabinen am Rudolphsplatz führen vom Pilgrimstein nach oben zur Rittergasse. Einmal durch die Elwert-Passage und schon ist man mitten in der Altstadt. Hier befindet sich der optimale Ausgangspunkt zu allen Sehenswürdigkeiten der Stadt. Während der Fahrt mit dem Aufzug lässt der Schacht leider keinen Blick nach außen zu. Das Nachsehen haben außerdem Nachtschwärmer: Der Aufzug ist ab 1:30 Uhr bis 6:30 Uhr geschlossen.
Marburg-Aufzug Parkhaus Oberstadt
Ebenfalls am Pilgrimstein, aber ein paar Meter weiter, befinden sich weitere Aufzugkabinen. Sie sind an einem zentralen Parkhaus angebracht. Oben angekommen, steigen wir in der Wettergasse aus. Gleich in der Nähe beginnt der Grimm-dich-Pfad sowie der Weg hoch zum Schloss. Die Fahrt mit diesem Oberstadt-Aufzug ist jedoch nichts für schwache Nerven: Sowohl die Kabinen als auch der Steg sind verglast. Schwindelfrei sollte man sein!
Weitere Marburg-Aufzüge
Am Marburger Hauptbahnhof gibt es ebenfalls einen Aufzug. Er führt jedoch nicht in den historischen Stadtkern, sondern auf einen ebenfalls höhergelegenen Stadtteil namens Ortenberg.
Schmerzlich von Alteingesessenen vermisst, wird der charmante, etwas in die Jahre gekommene Aufzug in einer Buchhandlung, der zwei Filialen – oben und unten – miteinander verband. Die Aufzugkabine war winzig, höchstens zwei Personen fanden darin Platz. Noch dazu blieb die Kabine während der Fahrt häufig stecken. Nämlich dann, wenn eine der mitfahrenden Personen den Außenwänden zu nahekam und die Lichtschranke einen Alarm auslöste.
Marburg: Oberstadt-Aufzüge machen die Stadt aus
Rund um den Globus sind Aufzüge Teil des Öffentlichen Personennahverkehrs. Denken wir an den Elevator Lacerda in Salvador da Bahia in Brasilien, an den Katarinahissen im schwedischen Stockholm oder an den Elevator de Santa Justa in Lissabon, Portugal. In Deutschland gibt es hingegen nur vier deutsche Gemeinden mit öffentlichen Aufzügen als Teil des ÖPNV: Bad Schandau, Helgoland, Emden und eben Marburg.
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Statt über steile Straßen oder nicht enden wollende Treppen die Oberstadt per pedes zu erklimmen, geht es schnell, ohne Strapazen und vor allem barrierefrei mit einem Aufzug nach oben. Die Oberstadt-Aufzüge sind jedoch nicht nur aus Komfort-Gründen zu empfehlen. Vor allem in den Abendstunden, wenn die Fachwerkkulisse durch die Lichter der Stadt traumhaft angeleuchtet ist, lohnt sich die Fahrt. Langsam kommen wir den Lichtern näher und tauchen ein in die Gassen und Geheimnisse der Oberstadt.