Abseits der Norm: Verrückte Architektur weltweit
Von wegen Retorte: Überall auf der Welt gibt es architektonische Juwelen in allen möglichen (und unmöglichen) Formen zu entdecken. Wir stellen eine kleine Auswahl aus der Schatztruhe vor.
Seiner Zeit voraus: Casa Milà La Pedrera in Barcelona
Klar, jeder kennt die Sagrada Familia, das wohl berühmteste Bauwerk und Wahrzeichen Barcelonas. Doch ihr Erdenker Antoni Gaudí hat der katalanischen Hauptstadt bekanntermaßen an vielen weiteren Orten seinen Stempel aufgedrückt. Mit unorthodoxem Stil und revolutionären Ideen durchbrach der Baumeister zu Beginn des 20. Jahrhunderts alle vorherrschenden Grenzen und läutete eine neue Epoche in der Architektur ein. Als Manifest dafür gilt die Casa Milà, Gaudís letztes Projekt, bevor er sich der bis heute unvollendeten Kirche widmete.
Organische Formen, typisch für Gaudís Stil, finden sich hier an den eisernen Balkongittern, den bunt verglasten Fenstern und natürlich an der steinernen Fassade. Letztere verschaffte dem Gebäude übrigens den Namen „La Pedrera“: Steinbruch. So spottete man anfangs über das Gebäude, das bei der örtlichen Bevölkerung zunächst nicht allzu gut ankam. Heute sieht das freilich anders aus: 1984 erklärte die UNESCO die Casa Milà zum Weltkulturerbe. Kein Wunder, denn neben der außergewöhnlichen Ästhetik wartet das Gebäude auch mit einigen technischen Finessen auf, die seinerzeit unerhört waren: Natürliche Belüftung, modulare Wände und eine Tiefgarage sind nur einige Beispiele. Sogar Aufzüge finden sich in Gaudís ursprünglichem Entwurf – die wurden allerdings erst wesentlich später eingebaut.
Kontrastreich: Gehry-Bauten in Düsseldorf
Natürlich muss in einem Beitrag zu extraordinärer Architektur auch der Name Frank Gehry fallen. Der US-amerikanische Star-Architekt, der wie kaum ein anderer für den Dekonstruktivismus steht, hat auf der ganzen Welt spektakuläre Bauten errichtet, wie etwa das berühmte Guggenheim-Museum in Bilbao. Ganz so eindrucksvoll mögen die Gehry-Bauten im Düsseldorfer Medienhafen vielleicht nicht wirken. Dennoch ist das Gebäudeensemble ein Must-See für Architektur-Interessierte. Wie für ihn üblich, kleidete Gehry die Fassaden der Einzelgebäude in ganz verschiedene Materialien: Klinker, Edelstahl und weißer Putz ergeben einen Dreiklang, der kontrastreicher kaum sein könnte.
Unter der Kuppel: Seattle Spheres
Bleiben wir noch eine Weile bei organischer Architektur. Die kann nämlich auch ganz anders aussehen – gläsern, glänzend und futuristisch. Ein Beispiel finden wir seit 2018 an der nordamerikanischen Pazifikküste, Downtown Seattle. Die Seattle Spheres, drei gläserne Blasen, die scheinbar aus dem Boden sprießen, sind Teil der Zentrale des Versandriesen und Tech-Konzerns Amazon. Ihr Versprechen: Ein Arbeitsplatz und Loungebereich mit direktem Draht zur Natur – und das inmitten der Großstadt. Dafür setzten die (Landschafts-) Architekten (Büro: NBBJ) nicht auf Fassadenbepflanzung, sondern konzipierten die überdimensionalen Seifenblasen als Treibhäuser: 40.000 Pflanzen aus 50 verschiedenen Ländern finden in ihrem Innern Platz. Die mehr als 2600 verbauten Glaspanele sorgen für Durchblick und genügend Sonneneinstrahlung – selbst im notorisch verregneten Seattle.
Quadratisch? Praktisch? Gut? Der Dubai Frame
Ja, diesen überlebensgroßen Bilderrahmen gibt es wirklich. Seit 2018 steht der 150 Meter hohe und 93 Meter breite Dubai Frame in der gleichnamigen Wüstenstadt. Wer durch ihn hindurchsieht, blickt – je nach Standpunkt – entweder auf die ursprüngliche Altstadt oder die hochmodernen neuen Stadtteile Dubais, die seit der Jahrtausendwende entstanden. Über die Funktionalität des vom mexikanischen Architekten Fernando Donis entworfenen Gebäudes ließe sich sicher streiten, doch die ist in der arabischen Vorzeigestadt ohnehin selten der Maßstab. Immerhin: Im Fuß des Gebäudes befindet sich ein Museum, das die Entwicklung Dubais zeigt. Die Sky Bridge, die den oberen Teil des gigantischen Rahmens bildet, verfügt dagegen über einen 25 Quadratmeter großen Glasboden, der schwindelerregende Blicke ermöglicht. Höhenangst sollten Besucher also bestenfalls nicht mitbringen.
Luxus im Hufeisen: Sheraton Hot Spring Resort in Huzhou
Neben der Arabischen Halbinsel bietet auch China seit jeher fruchtbaren Nährboden für extravagante Architektur. Das Sheraton Hot Spring Resort in Huzhou etwa soll durch traditionelle chinesische Brücken inspiriert worden sein, sieht allerdings eher aus wie ein gigantisches Hufeisen. Mit einer Höhe von 102 Metern verheißt das 2013 eröffnete Hotel Luxus auf 27 Etagen. Für das außergewöhnliche Design zeichnet das chinesische Architekturbüro MAD verantwortlich. Apropos Design: In Zukunft ist in China womöglich Schluss mit derart ausgefallenen Prestigebauten. Der chinesischen Regierung wurden die architektonischen Extravaganzen im eigenen Land anscheinend zu viel – 2016 verhängte man kurzerhand ein Verbot für „bizzare Architektur“.
Das längste Hochhaus der Welt: The Big Bend
Während man sich in China bereits von allzu ausgefallener Architektur abzukehren scheint, stehen Extravaganz und Exklusivität in New York weiter hoch im Kurs. Wurde mit dem Steinway Tower dort erst kürzlich das weltweit schmalste Hochhaus fertiggestellt, träumt man in Manhattan bereits von weiteren Superlativen – zumindest beim Architekturbüro Oiio Studio. Diese scheinbar unmögliche Konstruktion gibt es jedenfalls noch nicht. Doch sollte „The Big Bend“ eines Tages gebaut werden, wäre es mit einer Höhe von etwa 600 Metern zwar nicht das höchste, mit einer Länge von 1200 Metern von Sockel zu Sockel wohl aber das längste Gebäude der Welt. Ob – und wenn ja wann – es das u-förmige Hochhaus jemals geben wird, ist aber noch völlig offen.