Die Unvollendeten: Spektakuläre Architektur, die nie gebaut wurde
Die Geschichte der Architektur ist reichhaltig an Projektideen, die zur Zeit ihrer Entwürfe vielleicht als wegweisend und revolutionär angesehen wurden – aber dann auch (mehr oder weniger) schnell wieder verworfen wurden.
Viele wurden nie gebauten, andere wurden schneller von Baggern eingeebnet, als ihren Erbauern lieb gewesen sein konnte. Ein Blick auf 6 Großbauprojekte aus aller Welt, denen kein Glück beschieden sein sollte.
The Illinois, Chicago: Viermal so hoch wie das Empire State Building
Architektonische Bescheidenheit war nicht unbedingt angebracht, als der US-Architekt Frank Lloyd Wright im Jahr 1956 seinen Entwurf zu „The Illinois“ vorlegte. Konzipiert als höchstes Gebäude der Welt sollte der Skyscrapper eine Gesamthöhe von 1609 Metern aufweisen. Der Bau hätte damit die vierfache Höhe des Empire State Buildings gehabt.
Auf den 528 geplanten Stockwerken sollten insgesamt 1.710.000 Quadratmeter Nutzfläche entstehen. Was da allerdings in diesen Turmbau hätte einziehen sollen, war nicht einmal mehr eine Überlegung wert – denn solch ein Gebäude zu realisieren, war schlichtweg unrealistisch.
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Zum einen hätte die angedachte Bauweise als Stahlkonstruktionen dem ganzen Haus keine ausreichende Standfestigkeit bei dieser Höhe garantiert. Noch eklatanter wog die Frage danach, wie die Wasserversorgung und die Abfuhr von Abwässern hätte funktionieren sollen. Technisch war man in den 1950er-Jahren noch nicht so weit, dass dies möglich gewesen wäre.
Und noch ein kleiner Funfact: Im Turm sollten dem Entwurf nach 76 Aufzüge fahren. Ebenfalls waren Außenaufzüge geplant, die mit Atomenergie (!) angetrieben werden sollten.
Dortmund Hauptbahnhof – Aus großen Plänen wurde Pragmatismus
Keine Frage: Der bauliche Zustand des Dortmunder Hauptbahnhof bereitet der Deutschen Bahn seit vielen Jahrzehnten Kopfzerbrechen. Schließlich stammt der bis heute noch in Betrieb befindliche Bau aus den 1950er Jahren. Und weil der als Ganzes einfach nicht mehr den mit der Zeit gestiegenen Ansprüchen genügt, hatte man schon in den 1990er-Jahren einen Neubau angedacht.
Geplant war ab 1997 die Überbauung in Form eines 55 Meter hohen Ufo-Gebäudes mit 80.000 Quadratmetern Nutzfläche. Und obwohl dieses 850-Millionen-DM-Projekt von allen Beteiligten für gut befunden worden war, verwarf man um 2000 die Pläne.
Stattdessen trat 2001 ein neuer Investor auf den Plan, der gänzlich andere Entwürfe für einen Neubau einbrachte. Dieser Entwurf, der als „3do“ bezeichnet wurde, sollte gar 1,2 Milliarden Euro teuer werden. Bund und Land sicherten einen Zuschuss von insgesamt mehr als 130 Millionen Euro für die Umsetzung zu. Sechs Jahre wurde das Projekt vorangetrieben – nur der Investor zögerte mit seiner Unterschrift unter den Verträgen. 2007 wurde das Aus für den Neubau bekannt. Die ganz großen Visionen legte man für den Bahnhof nun zur Seite.
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Etappenweise wird seit 2009 jetzt ein Teilumbau umgesetzt, der nun funktional anstatt prächtig protzig geplant wurde.
Schwabylon, München – Visionäre Freizeitstadt ohne Gäste
Entgegen der anderen Projekte in diesem Text wurde das „Schwabylon“, ein Großprojekt an der Leopoldstraße in München, tatsächlich realisiert. Der Vergnügungstempel, dessen Name sich aus "Schwabing" und "Babylon" zusammensetzt, wurde 1973 eingeweiht – und 1979 abgerissen.
Eine gescheiterte Vision und ein Phantom bleibt die Immobilie trotzdem. Fotos aus ihrem Inneren sind extrem rar und auch Bilder ihrer Fassade lassen ihre bloße Existenz als geradezu unwirklich erscheinen.
Das „Schwabylon“ war eine von dem Augsburger Landmaschinenhändlers Otto Schnitzenbaumer erdachte Wohn-, Geschäfts- und Freizeitstadt in Optik einer grellbunten riesigen Pyramide. Auf ihren rund 40.000 Quadratmetern Fläche gab es Restaurants, Läden, Boutiquen, Galerien, eine Eislaufbahn und eine Wohneinheit mit 660 Apartments. Dekadenz und Luxus wurden hier großgeschrieben. Obenauf thronte der Immobilie sogar eine Diskothek, in der man echten Haien beim Schwimmen in einem 360 Grad-Aquarium zuschauen konnte. Der Bau der Freizeitstadt verschlang damalig astronomische 156 Millionen D-Mark.
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Die Bevölkerung konnte jedoch mit dieser Monstrosität eines Bauwerks nichts anfangen. Die Gäste blieben aus. Und so wurde das Einkaufsparadies zum Alptraum seiner Investoren.
Monument der Dritten Internationale, Moskau – Denkmal für die Revolution schaffte es nur bis zum Modell
Der Moskauer Künstler Wladimir Jewgrafowitsch Tatlin stellte 1920 mit dem „Monument der Dritten Internationale“ seinen Entwurf für ein lebendiges Revolutionsdenkmal vor. Das auch „Tatlin-Turm“ genannte Modell war als riesiges, 400 Meter hohes Maschinenwerk geplant, in dem Konferenzräume, ein Restaurant und Radiostudios hätten untergebracht werden können.
Das ganze Gebäude hätte sich ständig in Bewegung befunden und die Säulen des Turms waren so erdacht worden, dass sie sich nach den Himmelsgestirnen ausgerichtet hätten.
Der Entwurf sah eine spiralförmig gewundene Stahlkonstruktion für den Turm vor. Ein schräger Mast, der durch den Turm geführt worden wäre, hätte drei gläserne Körper um sich drehen können. Die von der Doppelspirale umgebenen Objekte waren so geplant, dass sie sich mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten drehen sollten. Aufgrund fehlender Finanzierung konnte das Projekt niemals realisiert werden.
X-Seed 4000, Tokio – Höher als der Mount Everest: tollkühner Entwurf eines Skyscrappers der Superlative
Das X-Seed-Projekt (auch als Ocean City bekannt) war ein tollkühner Entwurf eines Skyscrappers der Superlative.
1980 wollte man in Japan für die Zukunft bauen und plante einen 800 Stockwerke zählenden und 4.000 Meter hohen Bau, der auf einer künstlich angelegten Insel in der Bucht von Tokio entstehen sollte. Die mögliche Bauzeit für den Wolkenkratzer bezifferte die mit den Planungen zuständige Tasai Corporation auf circa 30 Jahre.
In dieser Zeit wollte man aus mehr als 500 Millionen Tonnen Stahl einen Immobilien-Koloss in Vulkankegelform erschaffen, dessen Außendurchmesser in den unteren Etagen bis zu 6 Kilometern erreicht hätte. Bis auf 2.000 Metern Höhe hätte das X-Seed 4000 mit Wohneinheiten bestückt werden sollen, denn die Versorgung mit Sauerstoff und Energie in den darüber liegenden Bereichen wäre zu kostspielig geworden.
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Die Kosten für das Bauprojekt wurden mit bis zu umgerechnet 712 Milliarden Euro veranschlagt. Die technische Unmöglichkeit eines solchen Hauses sowie die Finanzierung standen dem Wolkenkratzer dann letztlich doch im Weg.
Große Halle, Berlin – Hitlers „Germania“, Größenwahn in Marmor, Stahl und Beton
In nicht wenigen Fällen sorgt die Geschichte selbst dafür, dass manche architektonische Vision auch nur eine solche bleibt. So geschehen bei der „Großen Halle“, die an Stelle des heutigen Bundeskanzleramtes in Berlin an der Spree stehen sollte, wenn es nach den Wünschen der Nationalsozialisten gegangen wäre.
Adolf Hitlers Architekt Albert Speer hatte in den 1930er-Jahren Entwürfe für zahlreiche bauliche Veränderungen Berlins entworfen. Die Führung der Nationalsozialisten wollte, dass nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges Berlin als „Welthauptstadt Germania“ bekannt sein sollte.
Die große Halle hätte in diesem Fall das Zentrum der Stadt dargestellt. Der gigantische Bau hätte final die 17-fache Größe des Petersdoms in Rom gehabt und war für eine Fertigstellung 1950 vorgesehen. Um im Vorfeld des Baus die Tragfähigkeit des Baubodens zu ermitteln, wurde ein 18 Meter hoher und 12.650 Tonnen schwerer Betonzylinder auf einem schmalen Sockel als Versuchsobjekt aufgestellt.