
Heilende Architektur: Wie Klinikbauten dabei helfen, gesund zu werden
Es gibt viele Menschen, die Krankenhäuser am liebsten ganz meiden würden – als zu bedrückend empfinden sie die Atmosphäre vo Ort. Dass es auch anders geht, zeigen unter anderem Kliniken in Freiburg, Stuttgart und Hausham. Diese Kliniken setzen auf das Konzept der heilenden Architektur.
Was ist „heilende Architektur“ – und was soll sie bewirken?
„Heilende Architektur“ beschreibt das bewusste, evidenzbasierte Gestalten von Gesundheitseinrichtungen, damit die gebaute Umgebung die Genesung unterstützt – spürbar für Patientinnen und Patienten, aber ebenso für Pflegepersonal, Ärzteteams und Angehörige. Der Ansatz geht davon aus, dass Architektur nicht nur Kulisse ist, sondern aktiv Stress reduziert, Orientierung schafft und Würde bewahrt. Ein vielzitiertes Fundament ist eine Studie des Architekturprofessors Roger S. Ulrich, die 1984 im Wissenschaftsmagazin Science veröffentlicht wurde: Demnach benötigten Chirurgie-Patienten mit Blick ins Grüne weniger Schmerzmittel, litten seltener an Depressionen und konnten früher entlassen werden als Vergleichspatienten ohne Naturblick – ein frühes, robustes Indiz dafür, dass Umgebung mitheilt.
Aus dieser Logik leiten sich Kernprinzipien ab: Tageslicht und Naturbezug stabilisieren den zirkadianen Rhythmus, also die innere 24-Stunden-Uhr des Körpers, fördern Schlaf und Wohlbefinden – aktuelle Reviews und Entwurfsleitfäden verdichten das inzwischen zu konkreten Empfehlungen für Fensterorientierung und Lichtführung in Klinikräumen. Orientierung und Wegeführung, also klare Grundrisse, kurze Distanzen und gut lesbare Leitsysteme, senken die kognitive Last und erhöhen die Sicherheit im Alltag von Stationsabläufen. Eine gute Akustik mit weniger Lärm wiederum verhindert Dauerstress – für Patienten ebenso wie für das Personal. Warme Farben sowie robuste und hygienische Materialien wirken deeskalierend und vertrauensbildend, ohne „klinisch“ zu wirken. Kunst am Ort, oft als Healing Art bezeichnet, kann Angst mindern, bei der Orientierung helfen und ein Gefühl der Zugehörigkeit erzeugen.
Entscheidend ist außerdem Partizipation: Wenn Patienten, Angehörige und Teams mitplanen, passen Räume und Prozesse besser zu realen Abläufen – und entfalten ihre heilende Wirkung im Alltag zuverlässiger.
3 Beispiele für heilende Architektur
Kinder- und Jugendklinik Freiburg
Ein noch recht junges Beispiel für heilende Architektur ist die Kinder- und Jugendklinik in Freiburg, die im September 2024 eröffnet wurde. Der Neubau bündelt erstmals die zuvor verteilten Bereiche der Kinder- und Jugendmedizin an einem zentralen Ort auf dem Areal des Universitätsklinikums – mit direkter Anbindung an die Frauenklinik. Das reduziert Wege, vereinfacht Abläufe und schafft für Familien eine klare, intuitive Orientierung.
Auf etwa 25.000 Quadratmetern Gesamtfläche finden rund 156 Betten Platz. Gestalterisch setzt das Haus auf viel Tageslicht, kindgerechte Farb- und Bildwelten sowie Aufenthalts- und Begegnungsräume – von Lounges für die Eltern bis zu Klassen- und Gemeinschaftsräumen. Kinder, Eltern und Mitarbeitende wurden in die Planung mit einbezogen. Daraus entstanden leicht lesbare Wege, einladende Wartezonen und Räume, die eine Art Familienalltag im Krankenhaus ermöglichen.
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Robert-Bosch-Krankenhaus Stuttgart
Ein weiteres Beispiel für heilende Architektur ist das Robert-Bosch-Krankenhaus Stuttgart. Im Rahmen des Programms „Healing Art“ haben in den vergangenen 25 Jahren mehr als 50 Künstlerinnen und Künstler verschiedene Projekte realisiert. Die Kunst dient hier aber nicht nur als Dekor, sondern als gezielte Maßnahme gegen Angst und Desorientierung – eine Art emotionales Leitsystem, das Patienten, Besuchenden und Mitarbeitenden gleichermaßen zugutekommt. Das Programm gilt bundesweit als Leuchtturm, wird wissenschaftlich begleitet und laufend vermittelt, etwa über Sonderführungen am Campus.
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Krankenhaus Agatharied, Hausham
Das Krankenhaus Agatharied nimmt eine Art Pionierrolle in Sachen Heilender Architektur in Deutschland ein. Seit ihrer Fertigstellung im Jahr 1998 zeigt die Klinik, wie ein Krankenhaus als „kleine Stadt“ funktionieren kann. Sie ist in sieben pavillonartige Baukörper gegliedert, die durch kurze Wege miteinander verbunden sind. Die Anlage öffnet sich zur Landschaft, schafft Blickbezüge und orientiert sich an menschlichen Maßstäben – eine wirksame Strategie gegen Stress und räumliche Überforderung. Die Pavillons gliedern sich in Behandlungstrakt, mehrere Bettenhäuser und Psychiatrie. Auch in der Fach- und Museumsszene wird Agatharied als Vorzeigeprojekt rezipiert, zuletzt im Rahmen einer Ausstellung im Architekturmuseum der TU München.
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