Nachhaltige Stadt: Am Anfang ist der Energieverbrauch
Mit Wasser und Erdwärme etwa kann eine nachhaltige Stadt ihren Energieverbrauch zu 100 Prozent klimaneutral decken. Doch da geht noch mehr, etwa mit einer cool designten Müllverbrennungsanlage, effizienter Kälte und guter Kommunikation.
Eine Erhebung der Vereinten Nationen zeigt auf, wo unsere globalen Herausforderungen entschieden werden. 2021 lebten rund 4,5 der insgesamt 7,9 Milliarden Menschen in Städten. Das entsprach etwa 57 Prozent der Weltbevölkerung. Voraussichtlich wird deren Anteil bis 2030 um fast eine Milliarde auf 5,2 Milliarden und damit auf 60 Prozent ansteigen. Nur wenn wir unsere Städte nachhaltig gestalten, lässt die Klimakrise sich bewältigen. Dabei geht es um mehr, als die Masse der einzelnen Gebäude im urbanen Raum ressourceneffizient zu bauen, sie gut zu dämmen und mit erneuerbaren, also klimaneutralen Energiequellen zu versorgen. Der Energieverbrauch des gesamten Systems Stadt spielt eine entscheidende Rolle. Dies betrifft die gesamte Infrastruktur.
Nachhaltige Energiegewinnung für die Stadt
In Zürich etwa werden mittlerweile 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energiequellen gewonnen. Aber da geht noch mehr. Ausgerechnet das im kalten Norden gelegene Reykjavik profitiert von seiner geografischen Lage in signifikantem Maße: Die isländische Hauptstadt verfügt über zahlreiche Gletscherflüsse in der Nähe. Dort hat man Wasserkraftwerke gebaut, die erhebliche Mengen Strom liefern. Zudem nutzt die Stadt heiße Quellen und Geysire, um ihre Gebäude zu heizen. Mithilfe dieser natürlichen Ressourcen lässt Reykjavik sich vollständig mit erneuerbaren Energiequellen versorgen – und das zu relativ niedrigen Kosten. Die erste Stadt außerhalb Europas, die ihren Energiebedarf vollständig aus erneuerbaren Energien bezieht, ist Canberra.
Eine nachhaltige Stadt mit neuer Skipiste
Auf dem Weg zu einer nachhaltigen Stadt greifen verschiedene Bereiche ineinander, die über Aspekte des Energieverbrauchs hinausgehen. In Kopenhagen etwa hat man mit Copenhill eine sehr effiziente Müllverbrennungsanlage gebaut, die rund 150.000 Haushalte mit Strom und Wärme versorgt. Das Dach des Gebäudes senkt sich in einem eleganten Schwung herab, sodass es ganzjährig als Kunstschneepiste zum Skifahren und Snowboarden genutzt werden kann. Der Bau verbindet Nachhaltigkeit mit Spaß und Ästhetik: Ausgerechnet eine Müllverbrennungsanlage zählt nun zu den neuen Wahrzeichen der dänischen Hauptstadt. Aber auch sonst denkt man in Kopenhagen an die Zukunft, beispielsweise indem man auf das nachhaltige Verkehrsmittel Fahrrad setzt.
In einer nachhaltigen Stadt ist beim Thema Energieverbrauch aber nicht nur Wärme relevant. Mit der sich verschärfenden Klimakrise kommt es in weiten Teilen der Erde zu einer deutlichen Erwärmung. Gerade Städte müssen sich gegen Hitzeschocks schützen – ohne dabei allzu viel Energie aufzuwenden. Wien macht vor, wie das geht: Die Stadt betreibt ein über 19 Kilometer langes Fernkältenetz und klimatisiert darüber ein Quartier von über 140 Gebäuden. In Form von kaltem Wasser wird die Fernkälte in eigenen Zentralen produziert. Als Antriebsenergie dient neben Strom auch Wärme. Wie in Kopenhagen wird in den heißen Monaten vor allem Abwärme aus den Müllverbrennungsanlagen genutzt.
Kann man eine nachhaltige Stadt im Sommer kühlen?
Das auf rund fünf bis sechs Grad Celsius abgekühlte Wasser wird über das Netz zu den Abnehmern geleitet und dort über hauseigene Kühlsysteme verteilt. Es nimmt die Wärme aus dem jeweiligen Gebäude auf und transportiert sie ab. Auch die Rückkühlung geschieht zentral, zum Beispiel über Flusswasser. Gerade im dicht verbauten Stadtzentrum ist Fernkälte gefragt. Das hat mehrere Gründe: Herkömmliche Klimaanlagen verbrauchen nicht bloß mehr Energie, sie benötigen auch deutlich mehr Platz. Außerdem müssen für sie Rückkühler am Dach errichtet werden. Gerade auf den Dächern von Häusern einer nachhaltigen Stadt aber sollten stattdessen Grünpflanzen oder Photovoltaikanlagen Platz finden. Hinzu kommt, dass sie Rückkühler oft dem Denkmalschutz widersprechen. Und was sowohl den Ansprüchen von Nachhaltigkeit als auch dem Ziel der Kühlung widerspricht: Sie erhitzen durch Abwärme die Umgebung.
Um eine Stadt nachhaltig zu machen, braucht es mehr als bloß die kommunale Regierung und Verwaltung, wirklich alle müssen mitmachen. Im Berliner Stadtteil Moabit, wo man das Entwicklungskonzept „Green Moabit“ entwickelt hat, wurde dies berücksichtigt. Zu den Zielen zählt unter anderem, in den ansässigen Betrieben die Energieeffizienz deutlich zu steigern: „Das in Moabit West ansässige Gewerbe hat für einen Beitrag des Quartiers zum Klimaschutz eine besondere Verantwortung.“ In Zahlen sieht das so aus: Das Gewerbe hat an den CO₂-Emissionen im Quartier – ohne Verkehr – mit rund 82 Prozent den größten Anteil. Hiervon entfallen 62 Prozent auf den Strombedarf und 20 Prozent auf den Wärmebedarf, wobei der Strombedarf im Gewerbe fast zwei Drittel der CO₂-Emissionen verantwortet.
Nachhaltige Stadt: mit Hightech und Netzwerk
Ein Logistikunternehmen mit rund 450 Mitarbeitern, Gründungsmitglied des Unternehmensnetzwerkes Moabit, konnte schon bald große Fortschritte vermelden: Anfangs gingen 80 Prozent des gesamten Energieverbrauchs in Moabit auf das Konto der Lagerbeleuchtung. Mithilfe energiesparender Leuchtmittel sowie neu installierter Bewegungsmelder und Tageslichtsensoren sank der Stromverbrauch innerhalb weniger Jahre um vier Fünftel. Dies war eine von vielen Maßnahmen bei einer Reihe von Unternehmen im Quartier. Das Netzwerk tauscht sich regelmäßig über neue Möglichkeiten aus, effizienter zu produzieren. Unter anderem erhalten die Mitglieder eine kostenlose Erstberatung zur Energieeffizienz.
Neben Hightech-Lösungen ebnen auch Erfahrungsaustausch und die Kooperation unterschiedlicher Akteure vor Ort den Weg zur nachhaltigen Stadt.