Superblocks: Barcelonas autofreie Kieze
Eine Idee wird zum Mega-Erfolg: Die Superblocks in Barcelona verbessern das Leben in der Stadt. Mittlerweile kopieren Metropolen in aller Welt das spanische Modell.
Wie viele Metropolen weltweit, hat auch Barcelona mit innerstädtischem Verkehr, Staus und Luftverschmutzung zu kämpfen. Ein Lösungsansatz sind die sogenannten Superblocks. Barcelona hat den ersten bereits in den 1990er Jahren eingerichtet. Bei den Superblocks handelt es sich um verkehrsberuhigte Kieze. Sie versprechen eine bessere Lebensqualität. Wie genau das funktioniert?
Was sind die Superblocks von Barcelona?
Bei den Superblocks in Barcelona werden bis zu neun Häuserblocks zusammengefasst. Innerhalb dieser Superblocks haben Fußgänger und Fahrradfahrer Vorrang. Nur Anwohner, Lieferanten und Rettungsfahrzeuge dürfen hineinfahren. Die Geschwindigkeit innerhalb des Superblocks ist auf 10 km/h begrenzt – Rettungsfahrzeuge dürfen natürlich auch in den Superblocks weiterhin schneller fahren. Ansonsten ist nur Linksabbiegen ist erlaubt. Die Folge: Kinder können auf der Straße spielen, Anwohnerinnen und Anwohner auf Parkbänken sitzen und in Ruhe plaudern. In der Innenstadt entstehen Oasen der Ruhe und des sozialen Austausches.
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Superblocks wirken positiv auf die Gesundheit von Barcelonas Einwohnern
Barcelona hat sich bereits jetzt durch die Superblocks stark verändert. Zum Besseren, würden vermutlich die meisten Einwohner sagen. Aus einer aktuellen Studie des Gesundheitsinstituts BCNecologia Barcelona geht hervor, dass die Lebenserwartung der Bewohner um fast 200 Tage gestiegen ist. Grund sind eine Verminderung der Abgase und des Lärms.
Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sieht es als erwiesen an, dass Superblocks und autofreie Innenstädte zu Krankheitsprävention, sozialem Wohlbefinden und der Bekämpfung von globaler Erwärmung beitragen. Durch die Sperrungen der Straßen gibt es mehr Grünflächen und Pflanzen, die die innerstädtische Hitzeinseln abkühlen. Allerdings ist Barcelona vergleichsweise dicht bebaut. Die Stadt verfügte über wenige grüne oder durchlässige Oberflächen. Auf jeden Einwohner entfallen gerade Mal 2,7 Quadratmeter Grünfläche – die WHO empfiehlt 9 Quadratmeter. Der Effekt der Superblocks auf die Wärme ist in Barcelona daher größer als in anderen europäischen Städten.
Wie kam es zu den Superblocks von Barcelona?
Die Idee der Superblocks in Barcelona basiert auf Plänen von Salvador Ruedas, dem damaligen Direktor der Agência de Ecologia Urbana, ein Beratungsunternehmen für Stadtökologie. In den späten 80er-Jahren leitete der Umweltfachmann eine Studie, in der es um die Frage ging, wie sich Lärm und Emissionen in stark befahrenen Straßen verringern lassen. Dabei entstand die Idee von Zellen, den Superblocks. Weltweit bekannt wurde sie auch unter den Namen Superilles, Supergrätzl, Superinseln oder Kiezblocks.
Doch bis zur Umsetzung der Idee sollten auch in Barcelona noch etliche Jahre vergehen. Der erste Superblock sperrte 1993 den Durchgangsverkehr aus dem Quartier Born aus. Born, ein Teil der Altstadt, war damals heruntergekommen und gilt mittlerweile als Luxusgegend für Touristen. Die Superblocks zwei und drei wurden erst 10 Jahre später, nämlich 2003 im Stadtteil Gracia eingerichtet. Auch in dieser Gegend kam es dadurch zu einer Gentrifizierung – die Preise stiegen.
Es gibt auch Kritik an den Superblocks
Eben diese Gentrifizierung sorgt auch für Kritik. Einzelhändler befürchteten zudem Umsatzrückgänge, die Feuerwehr kritisiert die komplizierte Wegeführung. So dauerte es abermals mehr als zehn Jahre, bis die Idee der Superblocks wieder neuen Schwung erhielt – mit einem Wechsel im Rathaus. 2015 gewann Ada Colau die Wahl zur Bürgermeisterin. Eine Sensation, denn Colau führt seitdem eine links-grüne Stadtregierung an, die mit dem Versprechen angetreten war, den Verkehr in der Stadt zu reduzieren: „Omplim de vida els carrers!“ auf Deutsch: „Lasst uns die Straßen mit Leben füllen!“.
Planänderungen brachten den Superblocks in Barcelona letztlich Erfolg
Zügig wurden weitere Superblocks im Statdviertel Poblenou eingerichtet. Allerdings kam es auch hier zunächst zu Protesten. Ein Grund: Der freigewordene Platz erhielt keine neue Funktion. Die Stadt rüstete nach: Ein Spielplatz wurde errichtet, Grünflächen wurden angelegt und Picknicktische aufgestellt. Eben diese Picknicktische verwandelte die Superblocks schließlich in ein zweites Wohnzimmer der Einwohner. Die Straßen füllten sich mit Leben.
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Mittlerweile sind die Superblocks aus Poblenou nicht mehr wegzudenken. Der Protest ist verstummt. Stattdessen kommen Stadt- und Verkehrsplaner aus aller Welt, um die Superblocks in Barcelona zu sehen. Und Barcelona selbst plant für die kommenden Jahre 503 weitere Superblocks. 60 Prozent der bisher von Autos genutzten Straßen würden dadurch frei werden. Eine enorme Veränderung.
Superblocks – ein Modell für jede Stadt?
Superblocks gelten mittlerweile international als ein anerkanntes Konzept der städtischen Verkehrsplanung. Die Vorteile sind unumstritten, die Frage ist lediglich, ob sie in jeder Stadt umgesetzt werden können.
Sven Eggimann, ein erfahrener Forscher für zukunftsfähige städtische Infrastruktursysteme, machte sich daran herauszufinden, welche städtischen Gebiete überhaupt Potenzial für Superblocks aufweisen. Dabei hat er unter anderem berücksichtigt, dass die Neugestaltung den Verkehrsfluss in der Stadt nicht übermäßig stören darf. Superblocks, durch die beispielsweise eine Hauptverkehrsstraße führt, wurden deshalb ausgeschlossen.
Die Ergebnisse variieren stark. Manche Städte seien weniger geeignet, in anderen könnten ein Drittel der Straßen durch die Superblocks verkehrsberuhigt werden. Das größte Potenzial weisen laut Eggimann Städte wie Mexiko-City, Madrid und Tokio auf.
Auch außerhalb von Barcelona wurden bereits Superblocks errichtet, etwa in den chinesischen Metropolen Xi'an und Nanjing, in Argentiniens Hauptstadt Buenos Aires oder Ecuadors Hauptstadt Quito. Nicht immer sind sie so groß wie in Barcelona. Auch Miniblocks aus zwei Mal zwei Häuserblocks sind möglich.
Kiezblocks in Deutschland
In Deutschland hat die Idee unter dem Namen Kiezblocks Einzug gehalten. Im Berliner Samariterviertel bestehen seit August 2019 Durchfahrtssperren und Tempo-10-Zonen. Die Initiative Kiezblocks sammelt in vielen deutschen Städten Unterschriften für die Einrichtung von Superblocks nach dem Vorbild Barcelonas. In Hamburg haben der Architekt Lars Zimmermann und der Logistiker Kai Zimmermann die Initiative Cities for Future gegründet, die konkrete Vorschläge für den Stadtumbau erarbeitet. Weitere Projekte gibt es in Darmstadt, Leipzig, München oder Stuttgart. Es scheint also nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis die Superblocks von Barcelona weltweit Wirklichkeit werden.