Smart City: Die Verkehrsplanung der Zukunft geht voran
Urbane Mobilität wandelt sich rasant: Verkehrsplanung sieht für Fußgänger und Radfahrer künftig deutlich mehr Raum vor. Auch die Smart City wird das Verkehrskonzept der Zukunft prägen, Sharing via App soll Parkraum einsparen.
Das Bild für den Verkehr der Zukunft in unseren Städten ist schon deutlich zu erkennen: Breite, einladende Gehwege und Aufenthaltsflächen für Fußgänger, sichere und komfortable Trassen für Radfahrer, gesäumt von Bäumen und Grünanlagen, die urbane Räume klimaresilienter machen. Der Platz für diese Verkehrsteilnehmer, für die Anwohner der Quartiere und auch für mehr Grün soll vor allem den Kraftfahrzeugen genommen werden. Wo heute geparkt wird, können morgen Bäume stehen oder Radfahrer auf Wegen rollen, die baulich von den Autospuren getrennt und damit sicherer sind.
Alternativen zur autofreien Innenstadt
Eine autofreie Innenstadt wird es zwar auch in den künftigen Metropolen nicht geben. Doch die Verkehrsplanung sieht dort eine ganz andere Mischung als heute vor. Wenn weniger Menschen ein eigenes Auto nutzen, braucht es weniger Parkplätze und Fahrbahnen. Je attraktiver die Wege für Fußgänger und Radfahrer werden, so die Idee, desto mehr Menschen nutzen diese Möglichkeiten. Wer sich nicht selbst fortbewegen möchte oder kann, hat die Möglichkeit, ein dichtes Netz und bezahlbares System von Bussen und Bahnen zu nutzen. Dies gilt es in den kommenden Jahren auszubauen – mit Blick auf den knappen Raum ebenfalls auf Kosten des Individualverkehrs. Soll es doch einmal der Pkw oder ein Van sein, teilt man sich die Flotte der Autos, auch das spart Platz, Ressourcen und Geld.
Mit gutem Beispiel voran: Innovative Verkehrskonzepte in Europas Großstädten
Städte wie Kopenhagen, Barcelona oder Berlin machen bereits vor, wohin die Verkehrsplanung unterwegs ist. In Kopenhagen etwa werden schon seit vielen Jahren unter anderem breite Fahrradwege konsequent von Autospuren getrennt. Dieses Verkehrskonzept brachte der dänischen Metropole mehrmals den Titel der fahrradfreundlichsten Stadt der Welt ein – auch schon mal den zweiten und dritten Platz. Breite Radspuren baut man mittlerweile auch in Berlin und konzipiert „Kiezblöcke“, wo nur noch Lieferfahrzeuge und Rettungswagen hineinkommen. Selbst Anwohner müssen draußen parken. In Barcelona heißen sie „Superblocks“.
Verkehrswende: Die Abkehr vom privaten Pkw
Einen eigenen Pkw in der Stadt zu nutzen, wird damit immer unattraktiver, was auch so gewollt ist. Stattdessen ist Sharing angesagt. Dieses Verkehrskonzept ist Teil der Smart City: Die Digitalisierung ermöglicht es schon heute, eine breite Palette von Verkehrsmitteln deutlich flexibler zu nutzen. Apps erleichtern die Fahrt mit Bahnen und Bussen, auch Zweiräder jeglicher Art sowie Autos lassen sich via Smartphone spontan für einzelne Touren oder für längere Zeiträume buchen. So tun sich beim Verkehr der Zukunft vielfältige Alternativen zum Pkw auf, die besser auf das aktuelle Bedürfnis zugeschnitten sind. Ein weiterer Vorteil: Fahrzeuge, die wir uns teilen, werden intensiver genutzt und stehen nicht unnötig im Weg herum. Ein hiesiger Pkw im Privatbesitz parkt durchschnittlich 23 Stunden am Tag.
Das „Manifest der freien Straßen“ als Richtungsweiser für die Verkehrsplanung
All diese Entwicklungen fasst das „Manifest der freien Straßen“ zusammen, das im Juni 2022 von der Denkfabrik paper planes, dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung und der TU Berlin veröffentlicht worden ist. Die kreativ-wissenschaftliche Allianz sieht die Perspektiven dieser neuen Verkehrsplanung als großen Gewinn für die Nachbarschaft, die Gesundheit der Menschen sowie den Kampf gegen den Klimawandel. Auch die Volkswirtschaft würde den Forschenden zufolge in vielerlei Hinsicht von der schrittweisen Umsetzung des Manifests profitieren: So könne der freiwerdende Straßenraum mittels Pavillons als Fernarbeitsplatz, für Infrastrukturversorgung oder Werk- und Produktionsstätten genutzt werden. Dies würde Pendlerinnen und Pendlern viele zeitintensive Wege ersparen und hiesige Städte ein Stück weit unabhängiger von den globalen Krisen machen.
Bahnhöfe als Dreh- und Angelpunkt der Verkehrsplanung
Neben dem Straßenraum spielen in der Verkehrsplanung Bahnhöfe eine zentrale Rolle. Dort beginnen und enden Reisen nicht bloß, wie man auf den ersten Blick meinen könnte. Dort sind auch Angebote für die „erste“ und „letzte“ Meile gefragt. Stichwort Smart City: die Verknüpfung des Schienenverkehrs mit anderen umweltfreundlichen Verkehrsmitteln wie Straßenbahn, Bus, Rad oder Sharing-Angeboten mithilfe von Apps. „Anschlussmobilität ist ein entscheidendes Kriterium für die Attraktivität der Bahnmobilität“, sagt Jutta Deffner, Leiterin des Forschungsschwerpunkts Mobilität und Urbane Räume am Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE). Das ISOE leitet im Auftrag des Deutschen Zentrums für Schienenverkehrsforschung das Projekt „Bahnhof der Zukunft“, um einen modularen Maßnahmenkatalog für diese Knotenpunkte zu entwickeln.
Ein wichtiger Beitrag zur Verkehrswende
Verkehr steht dabei nicht nur für Bewegung von A nach B, sondern schließt auch Aufenthaltsqualitäten ein: „Wir forschen für einen konsequenten Wandel vom Bahnhof als Station des Schienenverkehrs hin zu einer Mobilitätsplattform, die einen Gewinn für Reisende und Gäste darstellt,“ so Deffner. Ein Ziel im Projekt sei es deshalb auch, die Attraktivität von Bahnhöfen und ihrem Umfeld zu erhöhen – indem sie zugleich Treffpunkte und Orte für Kultur, Gastronomie und Freizeit werden, so wie es für den Bahnhof in Vilnius geplant ist. Ein wichtiger Schlüssel für das Gelingen der Verkehrswende ist, dass möglichst viele sie unterstützen – weil alle davon profitieren können: Wenn genügend Menschen aufs eigene Auto verzichten, kommen alle schneller ans Ziel als bislang, weil geteilte Mobilität für freiere Straßen sorgt. Und Parkraum, der künftig vielfältig als öffentlicher Raum genutzt wird, erhöht die Lebensqualität aller, die dort leben.