Straßenbäume: Verkannte Helden der Stadt
Der Winter ist vorbei und selbst in Großstädten beginnt es an den Straßenrändern wieder zu blühen und zu grünen. Doch Platane, Ulme, Kastanie oder Zierkirsche sehen nicht nur hübsch aus, sie erfüllen in der Stadt auch viele nützliche Funktionen. Dabei haben sie gerade dort kein einfaches Leben.
Wären Stadtbäume menschliche Arbeitnehmer, hätten sie sicher längst einen Streik angezettelt. Denn ihre Aufgabenliste ist lang, der Lohn dürftig: Sie reinigen die Luft von Feinstaub, spenden Schatten, speichern klimaschädliches CO₂, dämpfen Lärm und bieten Vogel- und Insektenarten ein Zuhause – um nur ein paar ihrer vielen nützlichen Funktionen zu nennen. Stefan Petzold, Referent für Siedlungsentwicklung und Stadtnatur beim NABU, bezeichnet Straßenbäume darum auch als „Multitalente“. „Neben all ihren anderen hilfreichen Funktionen dienen Bäume uns als Treffpunkt, Orte der Ruhe und steigern erwiesenermaßen unser Wohlbefinden“, so Petzold.
Straßenbäume steigern menschliches Wohlbefinden
Das zeigte auch eine interdisziplinäre Studie der Universität Heidelberg, des Zentralinstituts für seelische Gesundheit in Mannheim und des Karlsruher Instituts für Technologie. Mit speziell ausgerüsteten Smartphones sollten die Studienteilnehmerinnen, die alle in der Stadt lebten, innerhalb einer Woche neun Mal am Tag ihre Stimmung bewerten. Das Ergebnis: Je höher der Anteil von Grünflächen in ihrer Umgebung war, desto besser ging es den Probandinnen.
Bäume haben in der Stadt eine geringere Lebenserwartung als im Wald
Dafür, dass sie uns so gute Dienste leisten, müssen Bäume in der Stadt leider ziemlich zurückstecken. „Man muss sich gewahr werden, dass unsere standorttypischen Stadtbäume ursprünglich aus dem Wald kommen“, erklärt Stefan Petzold. Dadurch sei der Genpool an völlig andere Voraussetzungen angepasst als sie in urbanen Umgebungen vorkommen. Stadtbäume haben darum generell eine geringere Lebenserwartung als ihre Artgenossen im Wald.
Straßenbäume leiden zu oft unter Platzmangel
Ein Hauptproblem für Stadtbäume ist der ober- und unterirdische Platzmangel. Von Verkehrsplanern oft nur als schmückendes Begleitgrün gedacht würden die Bäume in viel zu kleine Baumgruben gesetzt, die links und rechts von Gehweg- und Fahrbahnaufbauten, Rohren und Leitungen eingezwängt werden, so Petzold. Die verbauten Materialien heizten sich teils stark auf, zudem sei der verdichtete Boden für die Bäume schwer zu durchwurzeln und lasse nur wenig Wasser durch. „Von oben kommen mechanische Belastungen wie Fußgänger, geparkte Fahrräder, Müll, Hundekot und –urin und im Winter Streusalz hinzu“, erklärt der NABU-Experte. Die Bäume litten in Folge unter Wasser-, Nährstoff- und Sauerstoffmangel.
Auch die Klimakrise macht Stadtbäumen zu schaffen
Kommt dann noch anhaltende Trockenheit dazu, wie sie im Sommer immer häufiger auftritt, werden die Bäume anfällig für Krankheiten und Schädlinge. „Die Klimakrise begünstigt die Verbreitung und die Anfälligkeit für artspezifische und wärmeliebende Schädlinge“, so Petzold. Dazu gehören die Miniermotte, die Rosskastanien befällt, der Masaria-Pilz, der Platanen schwächt, sowie der Ulmensplintkäfer. Auch der Eichenprozessionsspinner und ein Pilz der Eschentriebe absterben lässt, sind seit einigen Jahren auf dem Vormarsch.
Sind sie erst einmal krank, haben Stadtbäume den zusätzlichen Nachteil, dass sie im Gegensatz zu ihren ländlich lebenden Artgenossen nicht miteinander vernetzt sind. Im Wald verbinden Bäume sich unterirdisch über ihre Wurzeln oder Pilzgesellschaften. Geht es einem Artgenossen nicht gut, helfen andere Bäume dabei, ihn mit Nährstoffen aufzupäppeln, erklärt Petzold.
So können Stadtbewohner ihren Bäumen helfen
Auch wenn Städte aktuell wohl noch keine besonders lebensfreundliche Umgebung für Bäume sind, können Stadtbewohnerinnen einiges tun, um ihnen das Leben zu erleichtern. In den meisten Großstädten ist es möglich, Baumpatenschaften zu übernehmen, sowohl als Einzelperson als auch als Gemeinschaft. In der Regel ist ein Betrag von ein paar Hundert Euro pro Baumpflanzung erforderlich, der als Spende überwiesen werden muss.
Einige Städte bieten auch Gießpatenschaften an, mit denen Bürgerinnen sich für die regelmäßige Bewässerung einzelner Bäume verantwortlich erklären können. Doch auch wer sich nicht gleich für eine Patenschaft verpflichten möchte, kann etwas tun: einfach in Hitzezeiten immer mal wieder zur Gießkanne greifen und dem Straßenbaum vor der Haustür mit einer Extraportion Wasser Erleichterung verschaffen. Als kleiner Dank für seine vielen guten Dienste.