
Zum 30-jährigen Jubiläum: Verhüllung des Reichstags wird mit Lichtprojektion nachgestellt
Im Sommer 2025 sorgt eine Lichtprojektion in der Hauptstadt für Aufsehen, in der die Verhüllung des Reichstags vor genau drei Jahrzehnten nachgestellt wird. Dabei wäre es einst fast nicht zur legendären Aktion des Künstlerehepaars Christo und Jeanne-Claude gekommen.
Hommage an Christo und Jeanne-Claudes Reichstagsverhüllung
Vom 9. bis 20. Juni 2025 ist das Berliner Reichstagsgebäude erneut verhüllt – diesmal ganz ohne Stoff. Eine aufwendige Lichtinstallation unter der technischen Leitung des Lichtdesigners Andreas Boehlke erinnert zum 30-jährigen Jubiläum an die Verhüllung des Reichstags im Jahr 1995. Maßgeblich beteiligt sind wie schon vor 30 Jahren der Kulturmanager Peter Schwenkow gemeinsam mit dem Unternehmer Roland Specker. Mit an Bord ist diesmal auch Vladimir Yavachev, ein Neffe Christos.
Jeden Abend zum Anbruch der Dunkelheit um 21:30 bis 1 Uhr nachts helfen 24 Hochleistungsprojektoren dabei, die Westfassade des Reichstagsgebäudes in die 90er-Jahre zurückzuversetzen, als Millionen von Besuchern das Spektakel von der Wiese vor dem Reichstag aus bestaunten. Auch diese Mal erhoffen sich die Initiatoren wieder viele Besucher.

Ein Blick zurück: Wie es zur Reichstagsverhüllung 1995 kam
Der Anlass ist ein doppeltes Jubiläum: 30 Jahre nach dem Originalwerk wird zugleich der 90. Geburtstag von Christo und Jeanne-Claude gefeiert. Beide wurden am 13. Juni 1935 geboren. Zu Lebzeiten galten sie als Visionäre. Mit ihren Projekten, oft im Großformat, sorgten sie für Aufsehen, auch wenn sie dafür tief in die eigene Tasche greifen mussten. Die Kosten für die Verhüllung des Reichstags von 15 Millionen Dollar zum Beispiel trugen Christo und Jeanne-Claude selbst.
Die Aktion unter dem Namen Wrapped Reichstag wurde eines ihrer bekanntesten Werke, was wohl auch mit der politisch brisanten Lage zusammenhing. Nach dem Fall der Mauer und vor dem Umzug des Bundestags von Bonn nach Berlin markierte die Verhüllung einen Moment des Übergangs – wenn auch nur temporär, wie alle Werke des Ehepaars. Im Verhältnis zu den lediglich 2 Wochen, die das deutsche Wahrzeichen mit dem silbrig schimmernden Stoff überzogen war, dauerte die Genehmigungsphase jedoch äußerst lang.

24 Jahre Überzeugungsarbeit: Von der Idee zur Realisierung
Als Christo im Jahr 1971 erstmals die Vision äußerte, den Berliner Reichstag zu verhüllen, stieß er auf taube Ohren. Damals war das Gebäude weder Regierungssitz noch Touristenattraktion, sondern ein verlassenes Symbol der geteilten Nation. Trotzdem ließ der Künstler nicht locker. In hunderten Gesprächen, Anträgen und Modellen warb er über Jahrzehnte für seine Idee. Nachdem sie mehrfach abgelehnt wurde, erhielt das Vorhaben erst nach der Wiedervereinigung durch das Engagement der Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth politische Rückendeckung. 1994 stimmten die Abgeordneten nach einer leidenschaftlich geführten Debatte im Bundestag schließlich dafür und ebneten den Weg für eines der eindrucksvollsten Kunstwerke seiner Zeit.
Kletterer helfen bei der Verhüllung des Reichstags
Die Umsetzung des Projekts war ein logistisches Meisterwerk, das zahlreiche Ingenieure und Spezialisten erforderte. Anstatt etwa auf Kräne und Gerüste zu setzen, wurden 90 professionelle Industriekletterer engagiert, die die Stoffplanen über den Fassaden abrollten. Insgesamt wurden 100.000 Quadratmeter silberfarbener Stoff mithilfe von 16 Kilometer Seil über den Reichstag gespannt.
Der Aufbau begann am 17. Juni 1995. Innerhalb weniger Tage verschwand das Reichstagsgebäude hinter glatten Stoffbahnen. Nach einer Woche, am 24. Juni war das Werk vollendet. Zwei Wochen und etwa fünf Millionen Besucher später begann am 7. Juli bereits der Abbau.

Das Vermächtnis der Reichstagsverhüllung
In Vergessenheit geriet das Kunstwerk aber nie, was auch daran lag, dass Medien aus aller Welt darüber berichteten. Die Vielzahl der Besucher ließ außerdem ehemalige Kritiker schnell verstummen. Die Verhüllung des Reichstags wurde zum Synonym für Aufbruch, Freiheit und die Rückgewinnung eines öffentlichen Ortes durch die Kunst.
Die Lichtprojektion 2025 knüpft genau dort an. Der Reichstag wird erneut zur Leinwand – nicht für politische Botschaften, sondern für Erinnerung, Reflexion und das gemeinsame Erleben. Die neue Interpretation ehrt das Original, ohne es zu kopieren. Und die Organisatoren hoffen, mit dieser Botschaft wieder die Massen zu erreichen.