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Der Wärmeinseleffekt sorgt dafür, dass es in Städten wesentlich wärmer wird als im Umland. Foto: Getty Images
Der Wärmeinseleffekt sorgt dafür, dass es in Städten wesentlich wärmer wird als im Umland. Foto: Getty Images

Wärmeinseleffekt: Lässt sich der Hitzekollaps unserer Städte verhindern?

Verminderte Aufmerksamkeit, Schlafstörungen und Herz-Kreislauf-Probleme: Besonders in Städten häufen sich die hitzebedingten Gesundheitsrisiken. Das liegt unter anderem am sogenannten Wärmeinseleffekt. Jil Schroth von der BTU Cottbus-Senftenberg weiß mehr darüber.

Ob für einen ausgedehnten Waldspaziergang oder einen Sprung ins kühle Nass: Zu Tausenden strömen Menschen aus der Berliner Innenstadt an heißen Sommertagen ins Umland. Wer will es ihnen verübeln? Eine Wetterstation des Deutschen Wetterdienstes am Alexanderplatz konnte belegen, dass die Temperaturen innerhalb des Berliner S-Bahn-Rings im Schnitt um bis zu 5 Grad höher liegen als außerhalb der Stadt. Ein extremes Beispiel für ein Problem, mit dem sich viele deutsche Großstädte herumschlagen müssen. Und der Klimawandel wird es zukünftig verschärfen.

Wärmeinseln: Die Innenstädte heizen sich auf

Erklären lassen sich die krassen Temperaturunterschiede zwischen Innenstadt und Umland durch den Wärmeinseleffekt – ein typisches Phänomen des Stadtklimas. „Wenn man sich auf einer Karte die Verteilung der Lufttemperatur von oben ansieht, kann man erkennen, dass es Richtung Zentrum immer wärmer wird. Es bildet sich sozusagen eine warme Luftinsel über der Stadt“, weiß Jil Schroth, die sich als akademische Mitarbeiterin der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg im Rahmen ihrer Promotion intensiv mit dem Thema beschäftigt. Sie kennt die Ursachen für das Phänomen: „Die Gebäudegeometrie und Gebäudedichte sorgen vielerorts für eine schlechtere Luftzirkulation. Dabei braucht es die Frischluft, damit die Stadt gekühlt wird. Hinzu kommen die thermischen Eigenschaften der Bausubstanz, die Strahlungseigenschaften der Oberflächen und der hohe Versiegelungsgrad. Selbst der Wärmeausstoß von Industrie und Haushalten trägt zur Entstehung von städtischen Wärmeinseln bei.“ 

Anzahl der Tropennächte in unseren Städten steigt

Ganz besonders stark sind die Temperaturunterschiede in der Nacht. Das liegt vor allem daran, dass die Betonmassen tagsüber die Wärme der Sonnenstrahlen speichern und sie nachts nur schwer wieder abgeben. Während sich das Umland in den dunklen Stunden von der Hitze des Tages erholen kann, bekommen große Städte aufgrund der Speichermasse kaum die Chance abzukühlen. Somit kommt es in deutschen Großstädten sehr viel öfter zu sogenannten Tropennächte als in ländlichen Gebieten. Von Tropennächten spricht man immer dann, wenn das Thermometer nicht unter die 20-Grad-Celsius-Marke fällt. Und die Anzahl der Tropennächte wird zukünftig zunehmen. „Hauptursache dafür ist der Klimawandel. In Städten sind aber auch das stetige Wachstum und die voranschreitende Verdichtung Faktoren, die Tropennächte begünstigen“, erklärt Schroth.

Das stetige Wachstum von Städten sorgt dafür, dass es vor Ort immer wärmer wird. Foto: Adobe Stock____
Das stetige Wachstum von Städten sorgt dafür, dass es vor Ort immer wärmer wird. Foto: Adobe Stock

Unterschätzte Gesundheitsrisiken durch Hitze

Jeder kennt es, an Sommerabenden die Fenster sperrangelweit aufzureißen, in der Hoffnung wenigstens nachts ein wenig Frischluft abzubekommen. Und am Ende wälzt man sich trotzdem aufgrund der Hitze schlaflos im Bett hin und her. In Städten verspricht das nächtliche Lüften besonders wenig Erfrischung. Schlafstörungen sind die Folge – und die sind noch das geringste Problem: „Die Hitze in den Städten hat einen essenziellen Einfluss auf die menschliche Gesundheit“, berichtet Schroth. Neben körperlichen Symptomen wie Herz-Kreislauf-Problemen seien auch mentale Beeinträchtigungen die Folge: „Es gibt mittlerweile Studien, die belegen, dass die Aufmerksamkeit bei hohen Temperaturen sinkt. Dadurch steigt das Risiko für Verkehrsunfälle. Verhaltensforscher haben außerdem herausgefunden, dass die Hitze aggressiver macht.“ Besonders gefährdet sind ältere Menschen, Kinder und Menschen mit Vorerkrankungen.

„Im Ernstfall kann Hitze sogar zum Tod führen“, mahnt Schroth. Wie gefährlich hohe Temperaturen für uns Menschen werden können, zeigte eine besonders starke Hitzewelle, die Europa im Jahr 2003 ereilte. Im portugiesischen Alentejo etwa stieg die Temperatur am 01. August auf einen historischen Höchststand von 47,4 Grad Celsius. Auch in Deutschland überschritten die Thermometer ortsweise die 40-Grad-Marke. Wie eine Studie des französischen Forschungsinstituts Inserm resümierte, starben damals in ganz Europa 70.000 Menschen in Folge der Hitze, davon allein 7.000 in Deutschland.

Doch nicht nur Menschen leiden unter dem Wärmeinseleffekt. Auch die noch vorhandene Flora und Fauna ist gefährdet. Der Stadtbaum zum Beispiel, zu dessen Aufgaben die Kühlung der Städte gehört, kann die hohen Temperaturen selbst oft nicht mehr ertragen – er wird anfälliger für Schädlinge und Krankheiten.

Hitzeangepasste und wassersensible Stadtentwicklung

Unter den Vorzeichen der globalen Erwärmung, wird der Wärmeinseleffekt zukünftig immer dramatischer. Damit unsere Großstädte weiterhin lebenswert bleiben, müssen sie daher so gut wie möglich abgekühlt werden. „Man spricht allgemein von einer hitzeangepassten und wassersensiblen Stadtentwicklung“, erklärt Schroth. Doch welche Maßnahmen können dem Hitzestau in den Innenstädten wirklich entgegenwirken? 

Mehr Grün für die Städte

Unsere wohl wichtigsten Helfer gegen städtische Wärmeinseln sind Pflanzen, denn die können viel mehr, als nur schön aussehen. „Bäume zum Beispiel sind hervorragend für das Stadtklima. Sie tragen sowohl zur Verschattung als auch zur Verdunstungskühlung bei“, betont Schroth. Vor allem letzteres haben alle Pflanzen gemein: Sie speichern Wasser, durch dessen Verdunstung der Umgebung Wärmeenergie entzogen wird. Dadurch kühlt es insgesamt ab. 

Ganz besonders gut funktioniert das in der sogenannten Schwammstadt. „Das Konzept der Schwammstadt ist derzeit in aller Munde. Das liegt daran, dass nicht nur Hitze in Städten vermehrt auftritt, sondern auch extreme Regenereignisse“, erklärt Schroth. Ziel von Schwammstädten ist ein effizientes Regenwassermanagement. Das überschüssige Wasser wird dabei mithilfe von Mulden, Baumrigolen oder Grünflächen gespeichert. So muss es nicht umständlich über Kanäle abgeführt werden, sondern kann über die Pflanzen verdunsten und so die Umgebung kühlen.

Pflanzen helfen dabei, Städte abzukühlen. Foto: Adobe Stock____
Pflanzen helfen dabei, Städte abzukühlen. Foto: Adobe Stock

Kaltluftschneisen für die Frischluftversorgung

In noch viel größerem Maßstab sorgen Pflanzen vor den Stadtgrenzen für Abkühlung. Doch um den Wärmeinseleffekt zu mindern, muss die kalte Luft erst mal in die Stadt gelangen. Jil Schroth weiß wie: „Man muss die sogenannten Kaltluftschneisen erhalten. So gedacht, dürfte eigentlich nicht weiter bebaut werden.“ Kaltluftschneisen sind gezielt unbebaute Flächen, die dafür sorgen, das frische Luft aus den umliegenden Gebieten die Innenstädte erreichen und dort auch zirkulieren kann. Laut der Doktorandin können selbst Parks die nähere Umgebung mit Frischluft versorgen.

Albedo-Effekt nutzen

Ein weiteres Mittel gegen Hitze sind helle Oberflächen. Schroth plädiert dafür, sich den sogenannten Albedo-Effekt zu Nutze zu machen: „Im Gegensatz zu dunklen Flächen reflektieren helle Flächen die Sonnenstrahlen besser und absorbieren sie weniger. Sie heizen sich dadurch nicht so stark auf.“ Was simpel klingt, kann einen großen Effekt haben: Je weniger Wärme Fassaden und Böden im Laufe des Tages speichern, desto weniger müssen sie nachts abgeben. Wenn wir also beim Bau oder der Sanierung von Gebäuden und Straßen helle Materialien verwenden, können wir dem Wärmeinseleffekt etwas entgegensetzen. 

Kampf gegen den Wärmeinseleffekt: „Eine riesige Herausforderung“

„Besonders wichtig ist es, dass wir nicht unnötig neu bauen und Flächen versiegeln. Stattdessen sollten wir Flächen entsiegeln und beispielsweise leerstehende Gebäude umnutzen“, empfiehlt Schroth. Dass haben auchdie Verwaltungen deutscher Städte verinnerlicht. Verschiedenen Initiativen beziehen dabei die Bürger in den Kampf gegen die Hitze und Wärmeinseln mit ein. Das Stuttgarter Grünprogramm etwa fördert die Begrünung von Dächern, Fassaden und Freiflächen sowie die Entsiegelung und Anlage von artenreichen Blühflächen. Dass es auf jeden Einzelnen ankommt, weiß auch Jil Schroth: „Die Klimaanpassungen sind eine riesige Herausforderung. Sie müssen in der breiten Masse passieren.“

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