
Der stille Modernist: Sep Ruf und die Architektur einer neuen Zeit
Seine Gebäude stehen für Licht, Klarheit und Demokratie: Sep Ruf war einer der einflussreichsten Architekten der jungen Bundesrepublik. Eine filmische Doku wirft neues Licht auf sein Werk – und zeigt, warum seine Ideen heute aktueller sind denn je.
Er entwarf den Kanzlerbungalow in Bonn, baute gläserne Hochschulen und prägte die Nachkriegsarchitektur Deutschlands wie kaum ein anderer: Sep Ruf. Während viele in der jungen Bundesrepublik noch auf Repräsentation und Tradition setzten, schuf er Räume, die für Offenheit, Transparenz und demokratische Haltung standen.
Anlässlich einer neuen Kinodokumentation über Ruf lohnt sich der Blick zurück: Wer war dieser Vordenker moderner Baukultur? Welche Ideen trieben ihn an? Und warum sind seine Entwürfe heute wieder – oder immer noch – relevant?
Sep Ruf – Ein moderner Baumeister der Republik
Sep Ruf, 1908 in München geboren, war einer der prägendsten Architekten der deutschen Nachkriegsmoderne. Er studierte an der Technischen Hochschule München und baute bereits in den 1930ern Wohnhäuser – doch seine eigentliche Karriere begann nach dem Zweiten Weltkrieg.

In der Zeit des Wiederaufbaus stand Ruf für einen neuen Stil der Sachlichkeit, der sich gegen Monumentalität und Pathos stellte. Seine Bauauffassung: Form folgt Haltung. Mit Glas, klaren Linien und durchdachten Raumbeziehungen verkörpert er einen zeitlos modernen Stil.
Architektur für eine neue Demokratie
Offenheit, Transparenz, Leichtigkeit – das waren für Sep Ruf keine leeren Worte, sondern bauliche Prinzipien. Er glaubte daran, dass Architektur nicht nur Räume schafft, sondern gesellschaftliche Werte sichtbar machen kann. Deshalb baute er mit viel Glas, schuf Durchblicke und verzichtete auf pompöse Eingänge.

Gerade in den 1950er- und 60er-Jahren war das revolutionär. Während viele Bauherren auf Rekonstruktion und Schwere setzten, propagierte Ruf das Gegenteil. Seine Entwürfe verkörperten die Hoffnung auf eine offene, partizipative Gesellschaft und seine Gebäude signalisierten: Hier wird nicht regiert, sondern gestaltet. Und jeder ist willkommen.
Sep Rufs Stil war geprägt von Klarheit und Struktur. Seine bevorzugten Materialien waren Glas, Sichtbeton, Stahl und helle Natursteine. Räume waren fließend, Übergänge zwischen innen und außen bewusst gestaltet. Besonders typisch: Atrien, Innenhöfe, gläserne Fassaden. Auch Licht war für Ruf ein zentrales Gestaltungselement.
Der Kanzlerbungalow in Bonn
Der Kanzlerbungalow in Bonn (1964) ist Sep Rufs bekanntestes Werk – und bis heute eines der wichtigsten Beispiele für demokratische Architektur in Deutschland. Flach, offen, lichtdurchflutet und eingebettet in einen Park sollte er die neue Haltung der Bundesrepublik verkörpern: Bescheidenheit mit Stil.

Die Glasfronten, die modularen Räume, das Fehlen von Hierarchien in der Raumstruktur – all das war bewusst politisch. Kanzler wie Ludwig Erhard oder Willy Brandt empfingen hier Gäste aus aller Welt. Heute ist das Gebäude denkmalgeschützt, öffentlich zugänglich und ein beliebtes Ausflugsziel für Architekturliebhaber.
Weitere ikonische Bauten
Sep Ruf schuf zahlreiche Werke, die bis heute zu den Ikonen der Nachkriegsarchitektur zählen. Dazu gehört etwa die Akademie der Bildenden Künste Nürnberg (1952–54) – ein Pavilloncampus mit Glaswänden, Innenhöfen und offenen Lernräumen.

Ein weiteres Highlight: der Deutsche Pavillon auf der Weltausstellung 1958 in Brüssel, gemeinsam mit Egon Eiermann entworfen. Filigran, modular, transparent – ein architektonisches Statement, das Deutschland international neu positionierte. Auch die Neue Maxburg in München (1954–56) vereint Alt und Neu in faszinierender Weise: Ein historisches Renaissance-Portal trifft auf moderne, sachliche Justizarchitektur – bis heute ein Paradebeispiel für behutsame Stadtreparatur.
Neuer Kinofilm: „Sep Ruf – Architekt der Moderne“
Dass Sep Rufs Werk auch heute noch interessant und relevant ist, zeigt die Dokumentation „Sep Ruf – Architekt der Moderne“. Am 10. Juli startete der Film, unter Regie von Johann Betz, in den Kinos. Der Film beleuchtet Rufs Lebensweg, seine wichtigsten Bauten und seinen Einfluss auf die junge Bundesrepublik. Zeitzeugen, Experten und Archivmaterial zeichnen das Bild eines Architekten, der viel zu sagen hatte.
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Die Doku ist nicht nur ein Porträt, sie ist auch eine filmische Zeitreise durch ein Jahrhundert im Wandel. Besonders spannend wird die Verbindung von politischen Umbrüchen und architektonischer Sprache erzählt. Der Film stellt Fragen, die heute wie damals aktuell sind: Wie wollen wir leben? Wie repräsentieren wir Gesellschaft? Und wie viel Haltung darf Architektur haben?
Vermächtnis und heutige Rezeption
Viele von Rufs Bauten sind heute denkmalgeschützt und werden aktiv genutzt, gepflegt und geschätzt. In Architekturzirkeln genießt Ruf seit Jahren Kultstatus – nicht zuletzt wegen seiner unkomplizierten Eleganz.
Auch das breite Publikum entdeckt seine Werke zunehmend wieder. Architekturführungen, Ausstellungen und nun auch der Kinofilm sorgen für neue Sichtbarkeit.
Sep Rufs Einfluss auf die moderne Architektur
Sep Ruf hat Spuren hinterlassen. Seine Prinzipien – Offenheit, Funktionalität, Respekt vor Ort und Nutzer – prägen bis heute moderne Stadtplanung, Bildungsarchitektur und Bürogestaltung.

An Hochschulen wird er gelehrt, in Architekturbüros zitiert. Junge Architekten berufen sich auf seine Idee, dass Form der Funktion und dem Menschen dienen muss. Auch in aktuellen Debatten um nachhaltige und soziale Architektur ist seine Position erstaunlich anschlussfähig. Wer seine Bauten betritt, spürt: Hier wurde nicht nur Raum gebaut, sondern Haltung. Und die ist heute wichtiger denn je.