
Feministische Stadtplanung: Was ist das eigentlich?
Dunkle Unterführungen, gefährliche Kreuzungen, fehlende Barrierefreiheit – viele Städte sind voller Hürden. Feministische Stadtplanung will sie überwinden und mit klugen Konzepten den Alltag für alle verbessern.
Unsere Städte sind nicht für alle gleich gut nutzbar. Frauen, Kinder und ältere Menschen haben oft andere Bedürfnisse als der klassische „Durchschnittsnutzer“ – also der männliche, erwerbstätige Autofahrer, nach dem Städte lange geplant wurden. Feministische Stadtplanung will das ändern und stellt Fragen, die bisher oft zu kurz kamen: Wer bewegt sich wie durch die Stadt? Wer fühlt sich sicher? Und wie können öffentliche Räume für alle funktionieren?
Eine Stadt für alle: Was feministische Stadtplanung bedeutet
Städte sind keine neutralen Gebilde. Ihre Straßen, Plätze und Verkehrssysteme sind über Jahrzehnte von Männern geplant worden – oft mit dem Fokus auf Autos und Arbeitspendler. Aber das urbane Leben besteht aus viel mehr als nur dem Weg zur Arbeit. Einkaufen, Kinderbetreuung, Freizeit, Pflege, Sicherheit – all das gehört dazu.

Feministische Stadtplanung setzt genau hier an. Sie schaut sich an, wie Frauen und andere gesellschaftliche Gruppen den öffentlichen Raum erleben, wo Barrieren bestehen und wie sich Städte gerechter gestalten lassen. Das Ziel: eine Stadt, die für alle funktioniert – nicht nur für eine bestimmte Gruppe.
Die Prinzipien feministischer Stadtplanung
Sich nachts in dunklen Parks unwohl fühlen? Enge Unterführungen bewusst meiden? Lieber einen Umweg gehen, um nicht durch eine unbeleuchtete Gasse zu müssen? Viele Frauen kennen diese Situationen nur zu gut. Eine Studie aus Hannover von 2024 offenbart, wie gering das Sicherheitsgefühl bei Frauen in der Stadt ist. 55,3 Prozent der Frauen vermeiden bei Dunkelheit Parkhäuser (zum Vergleich: bei Männern sind es nur 20 Prozent) und sogar 80,4 Prozent Unterführungen (Männer: 43,5 Prozent).
Auch junge Menschen zwischen 16 und 24 Jahren haben Angst in der Stadt. 79,8 Prozent geben an, den Bereich hinter dem Hannover Hauptbahnhof zu meiden, unter anderem, weil sich dort viele suchtkranke Menschen aufhalten. Feministische Stadtplanung setzt genau hier an und schafft angstfreie Räume – zum Beispiel mit guter Beleuchtung, breiten Gehwegen und sichtbaren Fluchtmöglichkeiten.

Mobilität ist ein weiteres großes Thema. Denn traditionelle Verkehrsplanung setzt auf Autos, obwohl sich nicht alle Verkehrsteilnehmer mit dem Pkw bewegen. Frauen nutzen häufiger den öffentlichen Nahverkehr oder sind zu Fuß unterwegs, wie Zahlen des Statistischen Bundesamts zeigen. Deshalb braucht es bessere Fuß- und Radwege, barrierefreie Haltestellen und sichere Übergänge, zum Beispiel mehr Zebrastreifen und kürzere Ampelphasen für Fußgänger. Barcelona hat mit seinen „Superblocks“ ein Konzept entwickelt, das den Autoverkehr in Wohngebieten stark reduziert – zugunsten von Fußgängern und Radfahrern.
Gender Planning: Die gleichberechtigte Raumnutzung
Viele Städte sind nach einem alten Muster aufgebaut: Morgens strömen die Pendler in die City, abends wieder zurück. Doch was ist mit den alltäglichen Wegen, die nicht ins Büro führen – etwa zur Kita, zum Supermarkt oder zur Arztpraxis?

Feministische Stadtplanung setzt auf „Mixed-Use“-Gebiete, in denen Wohnen, Arbeiten und Freizeit näher beieinander liegen. Das spart Zeit und lange Wege. Vor allem für Frauen, die nach wie vor den Großteil der Care-Arbeit erledigen. Die Kinder von der Schule abzuholen, einkaufen zu gehen und die Kleidung aus der Reinigung holen – diese Tätigkeiten werden auch heute noch üblicherweise von Frauen erledigt. Das Stadtleben für sie entspannter zu gestalten, ist eins der Ziele, die die Feministische Stadtplanung verfolgt.
Wien als Vorbild: Wie feministische Stadtplanung funktioniert
Wer sich fragt, wo die Prinzipien der Feministischen Stadtplanung in die Tat umgesetzt werden, braucht nur zu unseren Nachbarn nach Österreich schauen. Wien gilt als wahre Pionierin der Gender Planning Bewegung, die Stadt setzt nämlich bereits seit den 1990ern auf geschlechtersensible Stadtplanung. Ein wichtiger Meilenstein war die Ausstellung „Wem gehört der öffentliche Raum – Frauenalltag in der Stadt“, die damals eine breite Diskussion auslöste. Das Ergebnis: erste frauengerechte Wohnanlagen mit durchdachten Grundrissen.

Wien ist diesem Ansatz treu geblieben und hat immer weiter optimiert: Parks, Haltestellen und Gehwege wurden gezielt nach Sicherheitskriterien umgestaltet. Die Stadt hat sogar ein eigenes Handbuch entwickelt – „Gender Mainstreaming in der Stadtplanung und Stadtentwicklung“ – für das sie 2013 mit dem Verwaltungspreis ausgezeichnet wurde.
Warum feministische Stadtplanung alle betrifft
Feministische Stadtplanung schafft keine „Frauenstadt“, sondern eine gerechtere Stadt für alle. Denn was Frauen hilft, hilft auch anderen Gruppen. Auch Kinder profitieren von sicheren Wegen und mehr Grünflächen. Ältere Menschen profitieren besonders von barrierefreien Verkehrswegen. Und Menschen mit Behinderung profitieren von besserer Infrastruktur. Kurz gesagt: Eine Stadt für alle ist eine bessere Stadt.
Feministische Stadtplanung ist darum kein Nischenthema. Sie zeigt, wie Städte gerechter und lebenswerter gestaltet werden können. Sicherheit, Mobilität und gerechte Raumnutzung sind dabei die Schlüssel. Wer Städte für alle plant, schafft mehr Lebensqualität. Und genau das ist das Ziel.