Carbonbeton – der Baustoff der Zukunft?
Beton begleitet die Menschheit schon seit Hunderten von Jahren. Das Gemisch aus Wasser, Zement und Gesteinskörnungen hat nämlich zahlreiche Vorteile – so ist es zum Beispiel langlebig, flexibel, wärmespeichernd und günstig. Einen Minuspunkt gibt es allerdings: seine Klimabilanz ist miserabel. Stellt Carbonbeton eine nachhaltige Alternative dar?
1804 wurde zum ersten Mal traditioneller Beton hergestellt. Seitdem spielt der Baustoff eine zentrale Rolle im Bausektor. Allein in Deutschland werden jährlich circa 47 Millionen Kubikmeter Beton verbaut – in der Regel in Kombination mit Stahlgittern. Davon will die Baubranche langfristig aber Abschied nehmen und sich stattdessen nachhaltigeren Bauweisen zuwenden. Denn bei der Herstellung von Beton fällt eine große Menge klimaschädlicher CO₂-Emissionen an. Bis zu 15 Prozent aller menschlich verursachten CO₂-Emissionen geht auf den Betonbau zurück. Carbontechnologie könnte eine Lösung darstellen. Die Idee: Anstelle von Stahl sollen Matten und Stäbe aus Kohlenstofffasern zum Einsatz kommen.
Nachhaltig Bauen mit Carbonbeton
Beim Bau textile Faserstoffe in Form einer gitterartigen Matte in den Beton einzulegen, ist kein völlig neuer Ansatz. Er entstand Anfang der 1990er Jahre an den Universitäten Aachen und Dresden. Nach ausgiebigen Forschungen hat sich mittlerweile gezeigt, dass sich Carbon besonders gut dafür eignet. Aber welche Vorteile hat dieser Baustoff?
Im Gegensatz zu Stahlgittern sind Carbonmatten leicht und flexibel. Zudem zeichnen sie sich durch ihre hohe Tragfähigkeit aus – was dafür sorgt, dass deutlich weniger Beton verwendet werden muss. Je nach Einsatzgebiet können bis zu 80 Prozent Beton eingespart werden. Das schont erstens wertvolle Ressourcen wie Sand und Wasser, senkt zweitens die Transportkosten und trägt drittens zur positiven Klimabilanz des Baustoffes bei. Zudem gehen Experten davon aus, dass Carbonbeton doppelt so langlebig ist wie Stahlbeton.
Carbonbeton: Hier wird er eingesetzt
Aktuell wird Carbonbeton vorwiegend bei Wandkonstruktionen, Verkleidungen und Fassaden angewendet. Im Neubau kommt er vor allem dort zum Einsatz, wo Gewicht reduziert werden muss – beispielsweise bei Brücken. Ein weiteres zentrales Anwendungsfeld ist die Sanierung. In Magdeburg wurde 2022 etwa die historische Hyparschale mit Carbonmatten saniert. Die denkmalgeschützte Mehrzweckhalle mit einem außergewöhnlichen Dach, das wie vier über der Halle schwebende Segel aussieht, konnte nur mithilfe des Carbonbetons erhalten werden. Die herkömmliche Sanierung hätte das Gewicht des Dachs so stark erhöht, dass es wohlmöglich unter der Last zusammengebrochen wäre.
Weil Carbon elektrische und thermische Leitfähigkeit besitzt, eignet es sich außerdem dazu, beim Bau smarter Gebäude eingesetzt zu werden. Die Leitfähigkeit ermöglicht nämlich direktes induktives Laden und Heizen des Bauteils sowie Datenübertragung. LED-Beleuchtungen und Touch-Sensoren können zum Beispiel direkt in den Beton integriert werden, was den Weg für eine Vielzahl von innovativen Bauwerken frei macht.
„CUBE“: Weltweit erstes Carbonbeton-Haus in Dresden
Das Bauen von ganzen Gebäuden aus Carbonbeton ist keinesfalls nur Zukunftsmusik, denn das erste Haus, das vorrangig auf diesen Baustoff setzt, steht bereits. Nachdem die Idee für Carbonbeton unter anderem an der Dresdener Universität entstand und die Weiterentwicklung des Baustoffs vor allem von sächsischen Institutionen und Unternehmen vorangetrieben wurde, ist es kein Wunder, dass das erste Carbonbeton-Haus in Dresden errichtet wurde.
Der „CUBE“ hat mit seiner – worauf sein Name bereits hindeutet – Würfelform und seinem kunstvoll verdrehten Dach einen futuristischen Look, der durch Beton und Glasfronten geprägt wird. Er stellt den Abschluss des Dresdner Forschungsprojekts Carbon Concrete Composite (C³) dar und wurde im Herbst 2022 feierlich eingeweiht. Weitere Verwendungen von Carbonbeton sind in Dresden bereits geplant: Es sollen zwei nachhaltige Schulsporthallen entstehen.
Bauen wir bald nur noch mit Carbonbeton?
Der Bau des CUBEs macht vielen Experten Hoffnung und Lust auf mehr. Denn die Verwendung von Carbonbeton ist tatsächlich eine umweltfreundliche und sogar kostengünstigere Alternative zum Stahlbeton, sofern die Materialeinsparung und Langlebigkeit miteinkalkuliert werden. Ein Hindernis für den Carbonbeton-Bau stellt derzeit noch das Fehlen von Genehmigungen und einer Baunorm dar, die vorgibt, wie und wo Carbonbeton genutzt werden darf. Derzeit wird für jedes Bauvorhaben – auch für die Sanierung der Magdeburger Hyparschale – eine Sondergenehmigung benötigt.
Das Warten auf eine solche Baunorm kann Experten zufolge über zehn Jahre dauern, doch es lohnt sich. Der Blick in eine grünere Zukunft motiviert die Branche. Die C³-Forschungsgruppe geht sogar davon aus, dass Carbon irgendwann nicht mehr aus Erdöl gewonnen werden muss, sondern zum Beispiel aus dem nachwachsenden Rohstoff Lignin, einem Holzabfallprodukt aus der Papierherstellung. Alternativ ist denkbar, dass man CO₂ direkt aus der Luft extrahieren und verarbeiten kann.
Was für die langfristige Nutzung von Carbonbeton allerdings noch fehlt, ist eine Lösung fürs Recycling. Allein bei der Trennung von Carbon und Beton stoßen die herkömmlichen Methoden an ihre Grenzen, denn Carbon ist – im Gegensatz zu Stahl – nicht magnetisch. Zwar gelingt es Forschern, die Stoffe trotzdem mit 98 Sortenreinheit zu teilen, doch dann stehen sie vor der nächsten Herausforderung: Die Nachfrage nach recyceltem Carbon auf dem Markt ist aktuell noch gering. Der Wandel von Stahl- zu Carbonbeton wird also nicht über Nacht passieren. Aber die Dresdner Forscher sind sich sicher, auf dem richtigen Weg zu sein.