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Eine dichte Ansammlung alter Lehmhochhäuser in der Stadt Shibam.
Die alten Lehmhochhäuser in der Stadt Shibam, dem "Manhattan der Wüste", bieten einen eindrucksvollen Anblick. Foto: Adobe Stock

Lehm als Baustoff – gibt es bald ein revolutionäres Comeback?

Lange war es ruhig um den Baustoff Lehm. Doch in ihm schlummert ein riesiges Potenzial für den Gebäudebau. Welche Eigenschaften bringt er mit, die ihn als Baustoff so attraktiv machen und kann er zukünftig Zement und Co. ersetzen?

Der Werkstoff Lehm ist so alt wie die Zeit selbst. Seine lange Geschichte begann mutmaßlich bereits vor 600.000 Jahren zu Zeiten der Frühmenschen, welche weit vor dem Homo Sapiens Lehm für den Bau ihrer Hütten verwendeten. Auch später kam Lehm als Baustoff massenweise in Gebrauch. Die Römer verwendeten ihn für das Fundament ihrer Straßen und brannten Ziegel aus ihm. Die alten Hochkulturen Süd- und Nordamerikas wie Maya, Inka und Azteken erbauten aus Lehmziegeln die ersten Hochhäuser und sogar ganze Städte aus Lehmhäusern. Und auch die rund zwei Millionen Fachwerkhäuser in Deutschland, welche heute noch bewohnt werden, bestehen zu Teilen aus Lehm.

Ein Baustoff aus der Versenkung

Durch den Trend zur Nachhaltigkeit steigt das Interesse am Bauen mit Lehm heute wieder. Bis vor Kurzem sah das noch anders aus: Um 1950 rückten Beton, Stahl und Co. in den Fokus der gefragten Baustoffe. Sie verdrängten das natürliche und regional verfügbare Material Lehm. Erst die Debatte um die Klimakrise erhöhte die Nachfrage nach nachhaltigen Rohstoffen, weshalb Lehm als Baustoff wieder ins Licht der Öffentlichkeit rückte. Seit 2013 sind Normen für Lehmsteine, Lehmmauermörtel und Lehmputzmörtel in die deutsche Industrienorm (DIN) aufgenommen worden, wodurch der Lehmbau in das moderne Baugewerbe zurückkehrte. Inwieweit der Bau von anspruchsvollen modernen Lehmhäusern realistisch ist, muss noch geklärt werden. Es gibt bereits umgesetzte Projekte, doch wie hoch damit gebaut werden kann und wie wetterbeständig ein modernes Lehmhaus auf lange Sicht ist, wird sich zeigen.

Eine runde Lehmhütte mit Strohdach vor einer weiten grünen Ebene.____
Die einfache Lehmhütte ist auch heute noch Wohnraum vieler Menschen in den ländlichen Regionen Afrikas. Foto: Getty Images

Lehm: nachhaltiger Baustoff der Zukunft?

Besonders in puncto Nachhaltigkeit hat Lehm als Baustoff viele Vorteile. Er kann zum Beispiel Wärme extrem gut speichern. Die tagsüber absorbierte Wärme wird in den kalten Stunden des Tages wieder abgegeben. Lehm ist somit in der Lage die Heizperiode um bis zu 6 Wochen zu verkürzen und den Heizaufwand um 15 % zu reduzieren. Gleichzeitig kühlt der Baustoff im Sommer und macht Klimaanlagen somit teilweise überflüssig.

Lehm ist schadstofffrei, schalldämmend und absorbiert Geruch und Feinstaub. Ungebrannt ist er außerdem dazu in der Lage, in der Luft enthaltenen Wasserdampf in seinen Poren zu lagern. Das führt dazu, dass lehmverputzte Räume eine besonders konstante Luftfeuchtigkeit aufweisen, was der Schimmelbildung entgegenwirkt. Besonders bemerkbar macht sich das in Räumen, in denen durch Kochen oder Duschen viel Luftfeuchtigkeit freigesetzt wird. Eine konstante Luftfeuchtigkeit hat gesundheitliche Vorteile für die Bewohner, weil die Schleimhäute weniger belastet werden und das Risiko einer Erkältung verringert wird.

Zusätzlich kommt Lehm auf der ganzen Welt vor. Daher sind die Transportwege sehr kurz. Ungebrannter Lehm kann jederzeit wiederverwendet werden und ist daher leicht zu recyclen. Zu guter Letzt ist Lehm als nachhaltiger Baustoff besonders energieeffizient, weil für seine Aufbereitung nur etwa 1 % der Energie benötigt wird, welche sonst bei der Herstellung von Stahlbeton oder klassischen Mauerziegeln freigesetzt wird.

Lehmbauten der heutigen Zeit

Was in Hinsicht auf die ganzen positiven Eigenschaften allerdings nicht vergessen werden darf, ist, dass Lehm wasserlöslich ist. Es sollte daher im Vorfeld gut überlegt werden, in welchen Bereichen Lehm zum Einsatz kommt. Wenn das Lehmhaus also ständig im Regen steht, eignet sich Lehm als Außenputz nicht unbedingt. Dass das allerdings nicht unbedingt stimmt, beweist das Unternehmen Alnatura mit seiner Unternehmenszentrale, welche 2019 mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis Architektur ausgezeichnet wurde. Der Baukomplex ist das europaweit größte Bürogebäude mit einer Außenwand aus Lehm. Im Innenbereich finden sich ebenfalls Lehmelemente, was sich positiv auf das Raumklima und die Akustik auswirkt.  Für die Umsetzung der äußeren Fassade wurde sogenannter Stampflehm verwendet.

Das Alnatura-Bürogebäude. Es hat eine verglaste Front. Die Seitenwände bestehen aus Lehm.____
Die Unternehmenszentrale von Alnatura in Darmstadt ist Europas größtes Bürogebäude aus Lehm. Foto: Alnatura/Lars Gruber

Beeindruckende Hochhäuser aus Lehm

Der Stampflehmbau (oder „Pisé“) unterscheidet sich aufgrund der hohen Dichte vom Bau mit luftgetrockneten Lehmziegeln. Das höchste Stampflehmgebäude in Europa ist bis heute das sogenannte „Pisé-Haus“ in Weilburg an der Lahn, das um 1830 erbaut wurde. Es misst über 20 Meter. Die wohl bemerkenswerteste Ansammlung an Lehmhochhäusern befindet sich allerdings im Jemen in den Städten Shibam und Sanaa. Die aus dem traditionellen Baustoff gefertigten Gebäude ragen teilweise bis zu 30 Meter in die Höhe und sind um die 500 Jahre alt. Sie sind die ältesten Hochhäuser der Welt. Schon seit 2.000 Jahren errichtet man dort ähnliche Lehmhäuser. In Shibam stehen noch etwa 500 dieser Hochhäuser dicht an dicht, weshalb die Stadt auch den klangvollen Namen „Manhattan der Wüste“ trägt.

Wird es in Zukunft deutlich mehr Lehmhäuser geben?

Der moderne Lehmbau steckt noch in den Kinderschuhen. An historischen Bauten wie dem Pisé-Haus oder den alten Städten im Jemen wird allerdings das im Lehm schlummernde Potenzial deutlich. Moderne Beispiele wie die Firmenzentrale von Alnatura sind große Pionierprojekte, die zeigen werden, ob sich eine moderne Form dieser Bauweise durchsetzen kann. Jedoch bleibt Nässe eine der großen Schwächen von Lehm. Die Lehmhochhäuser der Städte Shibam und Sanaa sind zwar sehr widerstandsfähig, stehen aber auch in extrem trockenen Regionen. Vielleicht könnten neue Mischtechniken diesem traditionellen Werkstoff eine beständigere Beschaffenheit verleihen. Allerdings sollte der Aspekt der biologischen Abbaubarkeit bei der Zugabe von chemischen Bestandteilen unbedingt berücksichtigt werden. Ob es sich wirklich um einen nachhaltigen Baustoff der Zukunft handelt und ob Lehm die klassischen Baustoffe wie Zement und Co. ablöst, bleibt also abzuwarten. Die Umweltbilanz von Lehm als Baustoff spricht jedenfalls für sich.

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