„The Line“ – sieht so die Stadt der Zukunft aus?
200 Meter breit, 500 Meter hoch und 170 Kilometer lang: Die nackten Zahlen klingen so gar nicht nach einer Stadt, wie wir sie kennen. Das soll „The Line“ aber auch nicht werden. Mitten in der Wüste Saudi-Arabiens soll das Megaprojekt den Städtebau revolutionieren.
„The Line“ als Zukunftsvision des saudischen Kronprinzen
Die Pläne für die Megastadt sind ambitioniert, vielleicht sogar mehr als das. Bereits im Jahr 2030 soll sie 1,5 Millionen Menschen beherbergen, bis 2045 gar 9 Millionen. Doch so sportlich die Ziele auch sind – verwundern können sie nicht. Sie basieren auf den Vorstellungen des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman. Dieser hatte als Initiator des Milliardenprojekts „Neom“ bereits im Jahr 2017 für Aufsehen gesorgt.
„Neom“ wurde damals als künftiger Hightech-Standort zum Leben und Arbeiten auf 26.500 Kilometern mitten in der Wüste vorgestellt. Im Januar 2021 folgten die Pläne für „The Line“ als Teil „Neoms“. Im Sommer 2022 wurde noch einmal nachjustiert. Die Pläne für die Stadt der Zukunft wirken nun noch ehrgeiziger: Auf nur 34 Quadratkilometern Fläche soll sich die Stadt vom roten Meer aus linienförmig über 170 Kilometer in die Wüste erstrecken und dort ein emissionsfreies Leben ermöglichen. Und wozu das alles? Saudi-Arabiens Abhängigkeit vom Erdöl gefährdet den landeseigenen Wohlstand. Mit der im Jahr 2016 ausgerufenen „Vision 2030“ möchte das Land unabhängiger von dem fossilen Rohstoff werden und seinen Reichtum sichern. "Neom" ist das Herzstück diese Vorhabens.
Straßen-, auto- und emissionsfrei: Das Ökokonzept von „The Line“
Wer bei "The Line" bisher noch nicht an eine Science-Fiction-Zukunftsvision dachte, ändert spätestens bei den Details seine Meinung: Die komplette Stadt soll aus zwei parallel verlaufenden Gebäuden bestehen, die allein schon mit ihrer Höhe von 500 Metern zu den größten Wolkenkratzern der Welt zählen würden. Für die komplette Außenfläche ist eine verspiegelte Fassade vorgesehen. Die umliegende Natur soll dabei zu 95 Prozent erhalten und den Einwohnern zugänglich gemacht werden. In den anliegenden Bergen ist zur Freizeitgestaltung unter anderem auch ein Skigebiet geplant. Zur Erinnerung: Das Projekt befindet sich mitten in der Wüste.
Im Inneren soll durch ein optimales Gleichgewicht von Sonnenlicht, Schatten und natürlicher Belüftung ganzjährig ein gemäßigtes Mikroklima herrschen, in dem Pflanzen optimal gedeihen und den Bewohnern eine grüne Umgebung bieten können. Um unabhängig vom Erdöl zu werden, setzen die „The Line“- Verantwortlichen bei der Energieversorgung zu 100 Prozent auf erneuerbare Energien. Zudem soll die Stadt komplett ohne Straßen und Autos auskommen, was ein emissionsfreies Leben ermöglichen würde. Die Infrastruktur wird laut Planungen fast vollständig auf Fußgänger ausgerichtet sein. Alle Einrichtungen sowie Parks und andere Freizeitmöglichkeiten sollen die Einwohner in weniger als 5 Minuten erreichen können. Sollte jemand doch mal von einem Stadtende zum anderen reisen wollen, muss er die 170 Kilometer jedoch nicht zu Fuß zurücklegen: Ein öffentliches Verkehrsnetz samt Hochgeschwindigkeitszug verspricht die Durchquerung des kompletten Stadtgebiets in 20 Minuten.
„The Line“ in Zahlen
Breite: 200 Meter
Höhe: 500 Meter
Länge: 170 Kilometer
Fläche: 34 Quadratkilometer
Einwohner: 1,5 Millionen (bis 2030), 9 Millionen (bis 2045)
CO2-Emissionen: keine
Kosten: 313 Millionen Euro (bis 2030)
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Ein Wohnvergnügen ausschließlich für Eliten?
Einige werden sich nun vermutlich fragen: Wer soll sich das leisten können? Und die Frage kommt nicht von ungefähr. Allein die erste Bauphase bis 2030 soll umgerechnet rund 313 Millionen Euro kosten. Manche Experten rechnen sogar mit deutlich höheren Summen. Zwar sind für die Finanzierung staatliche Subventionen, ein eventueller Börsengang und private Investitionen vorgesehen, für „Normalverdiener“ dürften diese extremen Ausgaben die Chancen auf einen Platz in der Wüstenstadt aber deutlich schmälern. Hinzu kommt, dass die Beschreibung als Wohnort, an dem „die Besten und Klügsten leben“, nicht gerade einladend, sondern geradezu elitär anmutet.
Während die Einen sich keine Hoffnung auf ein Leben in der Wüste Saudi-Arabiens machen brauchen, müssen andere ihres sogar aufgeben: Weil „The Line“ nach Fertigstellung durch das Stammesgebiet der Howeitat führen soll, werden viele Stammesmitglieder schon heute umgesiedelt.
Wie realistisch ist „The Line“?
Dabei sind sich bei Weitem nicht alle Experten sicher, dass „The Line“ überhaupt realisiert wird. Das liegt einerseits an den enormen Kosten, die es zu stemmen gilt, andererseits an der fehlenden Konstanz bei der Planung. Seit der ersten Vorstellung im Jahr 2021 haben sich die Pläne schon gravierend verändert, sodass niemand zu beurteilen vermag, ob sie in ihrer aktuellen Form Bestand haben. Manche Architekten zweifeln indes an der technischen Umsetzbarkeit des Projekts. Ob sie Recht behalten, wird sich wohl spätestens im Jahr 2030 zeigen.