Spektakuläre Paternoster, die immer noch in Betrieb sind
Ihre Zahl ist rückläufig und neue werden nicht mehr gebaut, doch noch existieren sie – Paternoster, die Oldtimer unter den Aufzügen. Ganz nach dem Motto „Totgeglaubtes lebt länger“ befördern sie weiterhin Menschen von Etage zu Etage. 5 dieser Paternoster stellen wir vor und zeigen, was sie so besonders macht.
Mit einem klopfenden Dauergeräusch ziehen die kleinen rechteckigen und offenen Kabinen des Paternosters kontinuierlich am Betrachtenden vorbei. In scheinbar endloser Kettenreaktion befördern sie Menschen auf- und abwärts und ermöglichen einen schnellen Wechsel zwischen den Stockwerken. Allerdings sind sie zum raren Gut geworden. Und bei aller Nostalgie und dem Engagement, sie instand zu halten, wird in nicht allzu ferner Zukunft auch das letzte Urgestein vertikaler Personenbeförderung den Dienst quittieren.
Von Pionieren und Stilllegungsbestrebungen
Doch zuvor einen Blick zurück: In der Vergangenheit erlebten die historischen Aufzüge bereits viele Höhen und Tiefen. Den Beginn des Niedergangs markiert das Jahr 1974. Seitdem stagniert ihre Anzahl, denn neue Paternoster gingen nicht mehr in Betrieb. Den Übrigen wollte man in den Folgejahren mit neuen Gesetzen den Prozess machen und sie endgültig vom Netz nehmen. Doch sowohl gegen die Stilllegung des Aufzugstyps bis 2004 als auch gegen das Verbot einer öffentlichen Nutzung im Jahr 2015 erhoben sich bundesweite Proteste, woraufhin das Bundesarbeitsministerium zurückruderte. Nur deshalb lassen sich auch heute noch Fahrten in Paternostern erleben, die über 100 Jahre alt sind.
Sie verleihen den Gebäuden, in denen sie ihr Tagwerk verrichten, Charme und Persönlichkeit. Zudem sind sie Teil des architektonischen Erbes und Pioniere der Aufzugsentwicklung. Unbestritten ist dennoch, dass sie gegenüber modernen Personenaufzügen wie der Abakus zum Supercomputer wirken. Sie sind weder barrierefrei noch verfügen sie über Türen oder Lichtgitter. Und in eine Kabine passen maximal zwei Personen. Dennoch haben sie überdauert und sind längst zu Besuchermagneten geworden. So auch die folgenden Fünf, die alle ihre ganz eigene Geschichte haben.
Paternoster im Axel-Springer-Hochhaus in Berlin
Schon seit 1966 befördert der Personen-Umlaufaufzug die Mitarbeiter im Axel-Springer-Hochhaus rauf und runter. 36 Einzelkabinen pendeln dabei unaufhörlich zwischen 20 Stockwerken, was diesen Paternoster zum höchsten Paternoster in Europa macht.
Seitdem ist auch viel internationale Prominenz ein- und ausgestiegen, die im Berliner Verlagshaus des Medienkonzerns Axel Springer SE gastierte. Will Smith, Tom Hanks und David Hasselhoff zählen dazu und gaben sich die Klinke oder besser den Haltegriff in die Hand. Kurzerhand schrieb die BILD-Zeitung diesen Umstand zugunsten ihres Paternosters um und erhob ihn zum berühmtesten Paternoster der Welt.
Paternoster im Stuttgarter Rathaus
Schätzungsweise 231 Paternosteraufzüge soll es in Deutschland noch geben und nur wenige davon sind für die Öffentlichkeit zugänglich. Umso besser, dass im Stuttgarter Rathaus gleich mehrere noch im Betrieb sind, die unter der Woche auch von Bürgern benutzt werden können. So lassen sich die fünf Stockwerke des Rathauses auch mittels kultiger Paternoster erreichen.
Und die baden-württembergische Landeshauptstadt tut noch mehr: Sie erhält die historischen Aufzüge, die zwischen 1950 und 1955 eingebaut wurden. Zuletzt wurden alle drei Paternoster – im Foyer, im Altbau und im Marktplatzflügel – im Sommer 2015 acht Wochen lang saniert und anschließend mit einer öffentlichen Feier wieder eingeweiht.
Paternoster im Hamburger Flüggerhaus
Ein Glücksfund hinter Hartfaserverschalung: Den Recherchen eines Doktoranden ist es zu verdanken, dass die Liste bedrohter Aufzüge um einen Paternoster reicher, nicht ärmer geworden ist. Entdeckt hat den Oldtimer mit 14 jeweils 250 Kilogramm schweren Kabinen im Mahagoni-Look 2018 der Kunsthistoriker Robin Augenstein. Nicht nur seine Bauform, auch sein Alter machen ihn einmalig.
Der Paternoster befindet sich im Flüggerhaus in der Hamburger Altstadt, ein altes Geschäftshaus aus dem Jahr 1908. Schätzungen zufolge wurde der Paternoster 1910 gebaut und in Betrieb genommen, womit dieser wohl der älteste Paternoster der Welt ist. Nach aufwendiger Restaurierung dürften seine Kabinen bald wieder durch die Schächte rattern. Allerdings ist das Gebäude nicht öffentlich zugänglich, der Eigentümer hat jedoch Fahrten am Tag des offenen Denkmals in Aussicht gestellt.
Paternoster im Haus der Industrie in Wien
In Österreichs Hauptstadt befindet sich im Haus der Industrie ein besonderer Paternoster. Bemerkenswert ist er, weil er nicht nur der ursprünglich erste seiner Art in Österreich war, sondern außerdem auch noch in Betrieb ist. 1911 wurde der 13 Kabinen umfassende Aufzug in der Maschinenfabrik der Firma A. Freissler, einem Aufzugspionier der Monarchie, unter der Herstellungsnummer 6795 angefertigt. Eine große Restaurierung im Jahr 1957 schadete ihm indes nicht – viele Teile sind noch im Originalzustand.
Für die Öffentlichkeit ist der Paternoster frei zugänglich. Die Fahrzeit beträgt vier Minuten und 45 Sekunden, insofern man einmal durchs gesamte Gebäude fahren möchte. Hierzu führen die Fahrkörbe durch einen 20 Meter hohen Schacht. Aufgereiht sind die Kabinen an großen Ketten, die ein Elektromotor antreibt.
Paternoster im Neuen Rathaus in Prag
In der Prager Altstadt befindet sich im Neuen Rathaus, in dem die Stadtverwaltung sitzt, ein funktionierender Paternoster. Er ist ein Überbleibsel der Paternosteraufzüge, die zwischen 1929 und 1930 erstmalig in der tschechischen Hauptstadt eingesetzt wurden. Er verfügt über 16 Kabinen und rangiert zwischen acht Stockwerken, die bis in eine Förderhöhe von 25,5 Metern reichen.
Als technisches Denkmal hat sich der altehrwürdige Aufzug zum touristischen Hotspot entwickelt. Wegen des enormen Zustroms gab der Prager Magistrat zuletzt aber bekannt, den normalerweise frei zugänglichen Lift vorübergehend stillzulegen. Gründe dafür waren die Nichteinhaltung von Regeln und Vandalismus. Ein Termin für die Wiederinbetriebnahme ist noch nicht bekannt, zuerst müsse man ihn überprüfen und neue Regeln für einen sicheren Betrieb festlegen.