E-Scooter-Sharing und Co.: Wie geteilte Mikromobilität unsere Städte beeinflusst
Für die einen sind sie der entscheidende Schlüssel zur Verkehrswende. Für die anderen ein im Weg herumstehendes Ärgernis: geteilte E-Scooter und Fahrräder. Wie sinnvoll ist die geteilte Mikromobilität?
Es gibt ein paar Themen, mit denen bekommt man jeden Party-Smalltalk in Gang: Lakritz? Kreuzfahrten? Koriander? Die einen lieben, die anderen hassen es. Neutral ist fast niemand. Seit dem 15. Juni 2019 steht auf Deutschlands Bürgersteigen ein weiterer Anstoß für große Emotionen herum: E-Scooter. Sie sind der neueste Zugang in einem Bereich, den Fachleute Mikromobilität nennen.
Was ist Mikromobilität?
Unter Mikromobilität verstehen wir alles, was uns auf einer kurzen Strecke von A nach B bringt, und zwar auf einer Route, die wir selbst wählen können. Früher waren das die eigenen Füße oder das Fahrrad. Dann kam die Sharing Economy und mit ihr die Shared Mobility. Heute stehen in vielen Städten an jeder Straßenecke geteilte Fahrräder oder E-Roller von Marken wie Lime, Voi oder Bird herum.
Mit der richtigen App kann man diese in Sekundenschnelle ausleihen und losfahren. Führerschein oder Helm braucht man dafür nicht. Ist das Ziel erreicht, wird das Fahrzeug einfach stehengelassen. Jeder Anbieter definiert sein Geschäftsgebiet, in dem das ohne Strafzahlungen möglich ist. In Berlin ist das beispielsweise meist innerhalb des S-Bahn-Rings.
Vorteile der Shared Mobility
Losfahren zu können, wann ich will, wohin ich will, ohne mir ein eigenes Fahrzeug kaufen und über einen sicheren Parkplatz dafür Gedanken machen zu müssen: Für Fans des Bike- und E-Scooter-Sharings ist diese Flexibilität der größte Vorteil der Mikromobilität.
Für viele Stadtplaner und Politiker ist die Shared Mobility darüber hinaus aber auch ein entscheidender Baustein für die Verkehrswende. Wer bequem mit dem E-Scooter zur nächsten Bushaltestelle oder direkt zur Arbeit kommt, lässt das Auto öfter stehen, so die Theorie. Das spart CO₂ und ist gut für die Gesundheit – zumindest, wenn ich auf dem Rad strample oder einen Teil des Weges zu Fuß zurücklege. Zudem nehmen Rad oder Roller im öffentlichen Raum deutlich weniger Platz weg als ein SUV.
Nachteile der Shared Mobility
Doch nicht alle empfinden die geteilte Mikromobilität als Gewinn, was vor allem daran liegt, dass deren Nutzer sich nicht immer an die Regeln halten. So haben E-Roller beispielsweise auf dem Gehweg nichts verloren, und man darf diese auch nur allein und nicht betrunken nutzen. Dennoch kommt es immer wieder zu gefährlichen Unfällen.
Auch das Abstellen direkt vor Haustüren oder U-Bahn-Eingängen ist für viele ein Ärgernis. Mittlerweile haben viele Städte die Parkmöglichkeiten beschränkt. In München darf man seinen E-Scooter innerhalb des Altstadtrings etwa nur in bestimmte Zonen stehenlassen; in Berlin müssen auf dem Gehweg links oder rechts mindestens 2,5 Meter Platz bleiben, damit Fußgänger weiterhin bequem durchkommen. Paris hat nach einer Bürgerabstimmung zum 1. September 2023 den Verleih von E-Scootern gleich ganz verboten.
Außerdem gibt der Preis Anlass für Kritik: 30 Minuten Fahrt mit dem Roller kosten, je nach Anbieter, um die acht Euro. Wer das täglich macht, ist schnell 200 Euro im Monat los. Menschen mit niedrigen Einkommen können sich die Shared Mobility schlichtweg nicht leisten. Für Rollstuhlfahrer oder alle mit kleinen Kindern ist sie auch keine Alternative zu Auto, Bus oder dem eigenen Lastenrad.
Ist die Mikromobilität umweltfreundlich?
Dass Städte, die nicht Paris sind, dennoch an der Shared Mobility festhalten, liegt an dem ihr zugesprochenen Beitrag zur Verkehrswende. Ob und wie viel CO₂ eingespart werden kann, ist allerdings sehr unterschiedlich.
So haben etwa Forscher der Eidgenössische Technische Hochschule Zürich für ihre Stadt ermittelt, dass die geteilte Mikromobilität mehr CO₂ ausstößt als die Verkehrsmittel, die sie ersetzt. Der Grund dafür ist, dass Menschen nicht etwa das Auto stehenlassen, wenn sie auf den E-Roller oder das geteilte Fahrrad steigen, sondern weniger zu Fuß gehen oder mit der Bahn fahren.
Eine Studie des Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI zeigt hingegen, dass in Städten wie Melbourne oder Seattle durchaus Emissionen eingespart werden konnten. Wo das Angebot an öffentlichem Nahverkehr nicht gut oder die Tradition, zu Fuß zu gehen, nicht verbreitet ist, können E-Scooter-Sharing & Co. also durchaus einen Unterschied machen.
Ausblick: Was ist die Zukunft der geteilten Mikromobilität?
Als die Shared Mobility neu war, schwemmten unzählige Anbieter von geteilten Fahrrädern und Rollern den Markt. Legendär sind die Bilder von riesigen Bergen entsorgter Leihfahrräder in China, die entstanden, weil das Angebot die Nachfrage bei weitem übertraf.
Mittlerweile hat sich der Markt reguliert, und die Städte haben sich mit klaren Regeln etwa den Parkproblemen entgegengestellt. Wenn die Anbieter die Lebensdauer ihrer Fahrzeuge verlängern und das Zusammenspiel von Mikromobilität und öffentlichem Verkehr weiter verbessert wird, kann sie durchaus dabei helfen, den CO₂-Ausstoß zu begrenzen.
Allein werden Bike- und E-Scooter-Sharing das Problem jedoch nicht lösen. Wer Autos aus der Stadt heraushalten möchte, wird um teure Parkzonen oder gar Fahrverbote nicht herumkommen.