KI-Musik: Wenn Künstliche Intelligenz Songs schreibt
Künstliche Intelligenz dringt weiter in alle Lebensbereiche vor – auch in die Musik. Mithilfe von wenigen Textanweisungen werden Melodien erstellt und die Stimmen bekannter Sänger simuliert. Doch welche Rolle wird KI-Musik künftig spielen? Befinden wir uns inmitten eines Umbruchs der Musikindustrie?
Seitdem ChatGPT für alle zugänglich ist, sehen wir, wie mächtig und kreativ KI-Systeme sein können: Sie schreiben ausformulierte Artikel, erzeugen verblüffend echte Bilder und lösen sogar Abiturprüfungen. Nun sind auch einige KI-Songs viral gegangen, die nicht nur die Musik-Industrie aufhorchen lassen.
KI-Musik kopiert etablierte Künstler täuschend echt
Wer viel auf TikTok unterwegs ist, wird beispielsweise an dem Song „Heart on My Sleeve“ nicht vorbeigekommen sein – ein Vorbote dessen, was sowohl Musiker als auch Fans in Zukunft erwarten müssen. Denn der Song klang nach einem neuen Hit mit den unverwechselbaren Stimmen von Drake und The Weeknd. Und tatsächlich: Wer den Song gehört hat, kann bestätigen, dass der Song eine charttaugliche Demoversion der beiden Superstars hätte sein können. Doch vertont haben die beiden das Stück nicht. Stattdessen wurden die Stimmen mithilfe von KI nachgestellt. Das Ganze hat so gut funktioniert, dass der Track nicht nur innerhalb kürzester Zeit über 15 Millionen Mal auf TikTok aufgerufen wurde, sondern dass sich auch das Label der beiden Künstler einschaltete und den Song von allen Streaming-Plattformen löschen ließ.
Songs mit KI zu erstellen, ist verblüffend einfach: Schon kurze Textbeschreibungen wie "eine beruhigende Geigenmelodie, unterlegt mit einem verzerrten Gitarrenriff" reichen, damit KI-Programme wie Boomy oder das von Google entwickelte MusicLM innerhalb kürzester Zeit die passende Musik erzeugen. Zusätzliche kann man Stimmen wählen, die zum Teil nach berühmten Musikern klingen. So hat quasi jeder die Möglichkeit, mit nur wenigen Klicks KI-Cover-Songs zu generieren.
Ein weiteres Beispiel für KI-Musik, die für viel Wirbel sorgt: Mitte April tauchte ein Album auf, von dem man zunächst dachte, es sei eine verloren gegangene Platte der längst aufgelösten Band Oasis. Auch wenn es sich nicht um das langerwartete Comeback der Britpop-Band handelte, die künstlich erzeugte Stimme Liam Gallaghers hört sich täuschend echt an.
Anteil KI-generierter Musik wird größer
Ob nun das Comeback-Album von Oasis „Heart on My Sleeve“, ein Track, in dem Rihanna angeblich Beyoncé covert oder ein Live-Set von David Guetta, in dem ein KI-generiertes Eminem-Feature auftaucht: Meldungen über KI-Songs vermehren sich mit zunehmendem Tempo. 15 Millionen Songs sollen seit 2019 auf der Plattform Boomy – ein KI-basiertes Tool für Musikproduktion und -komposition – künstlich generiert worden sein. Das sind laut Boomy 14 Prozent der gesamten bisher aufgenommenen Musik. Eine ungeheuer große Menge, die zeigt, dass sich die Künstliche Intelligenz längst keine Randphänomen mehr ist.
Das Potential von KI lässt natürlich auch die Musik-Industrie aufschrecken: Große Plattenlabel gehen in Berufung auf das Urheberrecht gegen solche KI-Songs vor und lassen sie von den Streaming-Plattformen löschen. Auch die Recording Academy, die einmal im Jahr die Grammy Awards verleihen, gab kürzlich bekannt, dass KI-Musik nicht preiswürdig sei und von den Grammys ausgeschlossen wird.
Während einige also befürchten, KI-Tools wie Boomy könnten die menschliche Schöpfungskraft entwerten, zeigen sich andere Künstler begeistert von KI-Musik und stellen ihre Stimmdaten bewusst zur Verfügung. Die kanadische Musikerin Grimes beispielsweise rief auf Twitter (heute X) öffentlich dazu auf, mit ihrer Stimme und KI eigene Tracks zu bauen. Und auch Paul McCartney hat KI als das Zeitgeistthema schlechthin erkannt und angekündigt, mithilfe von Künstlicher Intelligenz einen neuen Beatles-Track mit der Stimme des verstorbenen Bandmitglieds John Lennon zu veröffentlichen.
KI kann menschliche Kreativität nicht vollständig ersetzen
Der Einfluss von KI auf Musik scheint zunächst visionär, schließlich haben wir es mit musikalischen Experimenten zu tun, die es so zuvor nicht gegeben hat. Doch darf gleichzeitig nicht vergessen werden, dass Künstliche Intelligenz nur auf das reagieren kann, womit sie gefüttert wird Sie ist eben doch nur in der Lage, aus bereits vorhandenem Material auszuwählen, zu bearbeiten und nachzukomponieren. Trotz dem Anschein von Originalität:
Künstliche Intelligenz hat bisher nichts Neues geschaffen, was zu einem einzigartigen Kunstwerk führen würde. KI-Musik ist viel mehr immer eine Kopie bereits vorhandener Kompositionen. Und damit ist sie weit davon entfernt, echte emotionale Kreativität zu erreichen, die menschliche Bedürfnisse zum Ausdruck bringt. Daher liegt es nun an der Musikindustrie, einen geeigneten Umgang zu finden, wie zukünftig mit KI-Werkzeugen gearbeitet werden kann, ohne Angst davor zu haben, sie könne menschliche Kreativität ersetzen.