Umnutzung von Gebäuden: So kreativ wird Altes bewahrt und Neues geschaffen
Der Neubau von Gebäuden verursacht hohe CO₂-Emissionen und kostet wertvolle Ressourcen. Stattdessen können ungenutzte Gebäude auch kreativ umgebaut werden – und einen neuen Zweck erfüllen.
Die Baubranche boomt seit Jahren, obwohl die Klimakrise in vollem Gang ist und der Bausektor extrem viele schädliche CO₂-Emissionen verursacht. Etwa 30 Prozent der in Deutschland emittierten CO₂-Emissionen kommen aus dem Bau und der Nutzung von Gebäuden. Und noch schockierender: Ein Neubau verursacht dem Nabu zufolge bereits bei der Herstellung und Errichtung die Hälfte der gesamten Treibhausgas-Emissionen, die er bei einem Lebenszyklus von 50 Jahren insgesamt auslöst.
Gebäude so lange wie möglich zu nutzen, anstatt neue zu bauen, ist also deutlich klimafreundlicher. Zudem können so Architektur beschützt und Ressourcen gespart werden. Wir präsentieren kreative Umnutzungsideen von Gebäuden, die nach der Verwandlung kaum noch wiederzuerkennen sind.
Aus Wohnungen wird ein Kindergarten
Die Primarschule Manegg im Zürcher Wollishofen hat Platznöte im Quartier hervorgerufen. Denn das familienfreundliche Viertel hat in den letzten Jahren so viel Zuwachs bekommen, dass immer mehr Kindergartenkinder betreut werden müssen. Weil das Gebäude aus den 1930er Jahren aber nicht mehr erweitert werden kann, musste ein neuer Kindergarten geschaffen werden – zumindest fast neu.
Denn anstatt einen Neubau zu errichten, hat die Stadt Zürich veranlasst, sanierungsbedürftige Mietwohnungen im Obergeschoss eines Werkhofs zu einem Kindergarten umzufunktionieren. Das zuständige Architekturbüro Bischof Föhn setzte bei diesem Umbau auf das Prinzip der Kreislaufwirtschaft und versuchte, möglichst viele Baumaterialien wiederzuverwenden.
Es konnten unter anderem Brandschutztüren, Deckenpaneele, eine Außentreppe und Garderoben übernommen werden. Sogar die Waschbecken und Toiletten aus den ehemaligen Wohnungen konnten gereinigt und aufbereitet werden. Mit dem Einsatz von zuvor benutzten Bauteilen konnten rund 30 Prozent Treibhausgasemissionen eingespart werden, die bei einem Umbau mit neuen Bauteilen verursacht worden wären.
Aus einem Frauengefängnis wird ein Boutiquehotel
Lässt sich die Geschichte eines Ortes überschreiben? Und kann man sich dort, wo einst Widerstandskämpfer während des Zweiten Weltkriegs inhaftiert worden, überhaupt wohlfühlen? Mit diesen Fragen hat sich das Architektenpaar Grüntuch Ernst intensiv beschäftigt, als es mit dem Umbau eines ehemaligen Gefängnisses begonnen hat. 1896 als Frauen- und Jugendgefängnis errichtet, war der Gebäudekomplex in der Berliner Kantstraße noch bis 1985 als solches in Benutzung. Danach stand es größtenteils leer, bis ihm schließlich eine radikal neue Bedeutung verliehen wurde. Heute wird dort niemand mehr gefangen gehalten – stattdessen kommen Gäste aus aller Welt, um im Hotel Wilmina zu übernachten.
Das Architektenteam stand zunächst vor einer großen Herausforderung: Einerseits sollte der Gebäudekomplex eine neue Bedeutung bekommen, nicht mehr bedrängend, sondern freundlich wirken, damit sich die Hotelgäste an dem geschichtsträchtigen Ort wohlfühlen. Andererseits wollte man die Historie auch nicht gänzlich ignorieren – und im Zeichen der Nachhaltigkeit auch möglichst viele Bauteile erhalten. Nicht ohne Grund hat der Umbau des Gebäudes zehn Jahre in Anspruch genommen.
Wie sind die Architekten vorgegangen? Der ehemalige Schleusenhof ist heute ein Restaurant, die Fenster in den 44 Zimmern und Suiten wurden vergrößert, damit mehr Licht hineinfällt. Gleichzeitig wurden die alten Gitter im oberen Fensterteil erhalten. Sie sollen, gemeinsam mit einer Originalzelle, an die Vergangenheit erinnern und als Mahnmal dienen. Den ehemals asphaltierten Innenhof haben die Architekten in einen Garten verwandelt und die Fassadenbegrünung erweitert. Für ihre mühevolle Arbeit, die auf dem Recycling von Baustoffen und dem sensiblen Umgang mit der Historie des Ortes basiert, wurden Armand Grüntuch und Almut Grüntuch-Ernst mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis Architektur 2022 ausgezeichnet. Heute betreiben sie das Hotel selbst.
Aus einer Kirche wird eine Kletterhalle
Schlägt man einen Reiseführer für Mönchengladbach auf, wird darin für Deutschlands erste „Kletterkirche“ geworben. Was hat es damit auf sich?
Wie so vielen deutschen Kirchengemeinden, ist es auch der Mönchengladbacher Gemeinde ergangen. Immer weniger Menschen kamen zum Gottesdienst, bis die Kirche St. Peter nicht mehr finanziert werden konnte. Anstatt sie abzureißen, hat die Gemeinde sich dafür entschieden, sie für 25 Jahre zu vermieten – an die begeisterten Kletterer Klaus Fasbender und Simone Laube. Sie haben aus der Kirche eine Kletterhalle gemacht.
1932/33 erbaut, wurde die Kirche 1987 unter Denkmalschutz gestellt. Das hat den Umbau des Gebäudes zwar beeinflusst, aber nicht verhindert. Der Altarraum ist heute mit Kletterwänden verkleidet: Wo früher die Orgel stand, ist heute ein Boulder-Bereich und wo einst Sitzbänke standen, kann man sich heute zwischen den Klettereinheiten mit Kaffee und Snacks stärken. Die Einrichtung der Kletterhalle besteht zum Teil aus alten Kirchenbänken, die zurechtgesägt wurden.
Die Umnutzung der Kirche hat es möglich gemacht, sie zu erhalten. Trotzdem sind die neuen Mieter in der Gemeinde auch auf Unmut gestoßen. Dass die „Kletterkirche“ ein echtes Tourismus-Highlight geworden ist, vertröstet sie vielleicht ein bisschen.