Smart City: Nachhaltige Häuser durch kinetische Architektur
Nachhaltige Häuser haben eine dicke Dämmung, Solarplatten auf dem Dach und Pflanzen an der Fassade. Die Häuser der Zukunft können aber noch viel mehr. Durch kinetische Architektur werden Gebäude beweglich: Die Wände sind nicht statisch, sondern passen sich äußeren Gegebenheiten an. Wir zeigen, wie kinetische Architektur für mehr Nachhaltigkeit sorgt.
Nachhaltige Häuser bieten automatische Licht- und Wärmeregulierung
Kinetische Architektur ist im Trend – seit tausenden von Jahren. Der Begriff umschreibt die Konzeption von Gebäuden mit beweglichen Teilen, für technische oder ästhetische Zwecke. Türen und Fenster haben durch Bewegung (griechisch: kinesis) die Funktionalität eines Hauses erweitert, es mobil gemacht. Und schon mittelalterliche Fensterläden schützten per Klappmechanismus vor Wind und Wetter.
Wie wird ein Haus beweglich und was hat das mit Nachhaltigkeit zu tun?
Auch heute bringt kinetische Architektur viel Bewegung in die Baubranche. Eine kinetische Fassade besteht meist aus vielen Einzelteilen, wie beispielsweise rechteckigen Platten. Sie sind an ihren Innenseiten mit Stangen und Führungsschienen verbunden und können sich durch elektrisch betriebene Motoren bewegen. Scheint die Sonne von vorn auf die Fassade, so ziehen sich die einzelnen Platten zu einer Fläche zusammen, um Wärme und Licht abzuhalten. Damit es im Gebäude nicht ganz dunkel wird, können kleine Spalten geöffnet bleiben. Insbesondere bei starker Sonne sind solche Platten weitaus effektiver als Rollos, denn sie können den Lichteinfall besser regulieren. Drinnen wird es angenehm kühl und im Homeoffice sorgt die Abdunklung für Monitore ohne lästige Spiegelungen.
Ganz anders und außergewöhnlich umgesetzt ist die Südseite des Institut du monde arabe in Paris. Sie ist mit tausenden computerbetriebenen Irisblenden ausgestattet: Wie die Pupille im menschlichen Auge steuern sie den Lichteinfall, indem sie sich stufenlos öffnen oder schließen.
Kinetische Architektur bringt nicht nur viele nachhaltige Aspekte mit sich: In besonders windigen Regionen können bewegliche Gebäude auch für mehr Sicherheit sorgen. Ein Beispiel ist der Kiefer Technic Showroom in Graz, der regelmäßig Windgeschwindigkeiten bis 100 Stundenkilometern ausgesetzt ist. Außenjalousien wären hier keine Option. Außerdem dient der Raum zwischen Glasfront und kinetischen Platten als Klimapuffer – ein ähnlicher Effekt wie bei doppelt verglasten Fenstern, nur mit mehr Wirkung.
Kinetische Architektur ist smart
Die kinetischen Häuser der Zukunft steuern sich selbst und sorgen so für angenehme Klima- und Lichtverhältnisse, bei minimalem Aufwand für Bewohnerinnen und Bewohner. Ihre Fassaden lassen sich nach Belieben ausrichten. Ist das System mit einem Smart Home verknüpft, dann lässt sich so die Innentemperatur automatisch regulieren: Die Außenplatten korrigieren stetig ihre Ausrichtung, sodass eine bestimmte Menge an Licht und damit Wärme in das Gebäude gelangt. Das schafft Einsparpotenziale beim Einsatz von Heiz- oder Klimaanagen. Die Al Bahar Towers in Abu Dhabi können mit ihrer HypoSurface Fassade sogar mehr als 50 Prozent der Sonneneinstrahlung abblocken.
Kinetische Architektur erzeugt auch Energie
Photovoltaik und kinetische Architektur sind das künftige Dreamteam: Solarplatten müssen im richtigen Winkel zur Sonne stehen, um maximale Effekte zu erzielen. Durch kinetische Architektur könnten sich die Photovoltaik-Felder wie eine Sonnenblume nach dem Licht ausrichten. Im April 2022 erforschte ein koreanischer Architekt der Gachon Universität die Möglichkeit, kinetische Solarplatten an der Fassade von Bildungseinrichtungen anzubringen. Seine Ergebnisse zeigten einen Gewinn von fast doppelt so viel Energie im Vergleich zu senkrecht angebrachten Feldern.
Auch andere erneuerbare Energien lassen sich über Gebäude erzeugen: Das Bahrain World Trade Center ist mit drei Windrädern eine Ikone und weist Wege für die Häuser der Zukunft. Der architektonische Pionier im Herzen der Hauptstadt Manama generiert bis zu 15 Prozent vom Energiebedarf des Centers.
Kinetische Architektur als Spielerei
Bei aller Nachhaltigkeit: Manche Architekten nutzt kinetische Spielereien auch nur für Showeffekte oder glanzvolle Auftritte. Die Saitama Super Arena in Japan kann eine komplette Stadionhälfte verschieben, um Spielfelder für Eishockey und Basketball oder einen Boxring zu kreieren – in voller Größe wird das Stadion zur Konzerthalle. Und die Suite Vollard in Curitiba Brasilien ist das erste rotierende Gebäude der Welt. Jede der elf Ebenen kann von den Bewohnern und Bewohnerinnen innerhalb einer Stunde im oder gegen den Uhrzeigersinn 360 Grad gedreht werden. Keine Sorge, schwindelig wird bei der Geschwindigkeit niemandem.
Um Schwindel sollten sich bald Menschen in Dubai Gedanken machen, falls jemals der Bau des Dynamic Towers begonnen wird. Er soll 420 Meter hoch werden und sich ebenfalls um die eigene Achse drehen. Auch der Nachhaltigkeitsanspruch ist hier hoch: Das Projekt umfasst rund 80 Windturbinen und ein Dach voller Solarplatten, die mehr Energie produzieren sollen als das Gebäude benötigt. Die Fertigstellung war ursprünglich für 2020 geplant – aber so viel Erfindergeist braucht Zeit