Schlösser in Deutschland: von filmreifen Unbekannten und alten Klassikern
Burgen und Schlösser – in Deutschland die wohl schöneren Relikte der Vergangenheit. Über das Land verteilt gibt es sie an nahezu jeder Ecke. Ein Ausflug in die Welt von alten Bekannten und stillen Rekordanwärtern.
Rund 25.000 Burgen und Schlösser gibt es in Deutschland. Ein Blick in die Geschichte verrät: Bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts glich das Gebiet der heutigen Bundesrepublik einem Flickenteppich. Hunderte mehr oder minder eigenständige Klein- und Mittelstaaten säumten die Landkarte, viele davon von wohlhabenden Adelsfamilien geführt. Diese wollten ihre Herrschaft auch symbolisch etablieren. Und wie geht das besser als durch prunkvolle Burgen und Schlösser? Heute freuen wir uns über den übermäßigen Drang nach Machtinszenierung, denn die vielen Prachtbauten dienen als Filmkulisse, Museum oder Touristenattraktion. Und auch so manche Kuriosität findet sich in ihrer Geschichte wieder. Höchste Zeit, sich einige davon genauer anzuschauen. Diese 5 Superlative unter den Burgen und Schlössern in Deutschland erzählen Tragisches, Witziges und Spannendes.
Das größte Schloss Deutschlands: Das Barockschloss Mannheim
Ein Klassiker unter den Superlativen und der Auftakt unserer Vorstellungsrunde: das Barockschloss Mannheim. Mit seiner 440 Meter langen Schaufensterfassade und einer Gesamtfläche von sechs Hektar ist es das größte Schloss Deutschlands und das zweitgrößte Barockschloss Europas. Nur das französische Versailles kann es in Sachen Größe übertrumpfen. Der Grundstein des Mannheimer Schlosses wurde im Jahr 1720 an der Stelle einer ehemaligen Festung gelegt – im prunkvollen Barockstil. Ideengeber und Finanzier war der damalige Kurfürst der Pfalz, Carl III. Philipp, der sich im europäischen Mächte-Armdrücken behaupten wollte. So war es ihm wohl ein besonderes Anliegen, das Schloss mit genau einem Fenster mehr zu versehen als Versailles. Auch interessant: Nicht nur menschliche Beine stapften regelmäßig durch das Schloss, denn ab 1878 verlief die Mannheimer Pferdebahn, die Vorgängerin der heutigen Straßenbahn, mitten durch die Schlossanlage. Einmal durch den Nordflügel und durch das Haupttor ging es, bevor die Passagiere weiter Richtung Rhein kutschiert wurden. Öffentlicher Nahverkehr der besonderen Art.
Die älteste Burg Deutschlands: Burg Meersburg
Um die Entstehungsgeschichte der ältesten noch bewohnten Burg Deutschlands, Burg Meersburg, ranken sich verschiedene Theorien. Die wohl geläufigste davon datiert ihren Ursprung auf das frühe Mittelalter. Demnach soll sie im Jahre 628 nach Christus an einem wichtigen Handelsknotenpunkt errichtet worden sein. Von der frühmittelalterlichen Bausubstanz ist heute zwar nichts mehr erhalten, doch die Meersburger sind stolz auf ihre Burg. Und das zu Recht, denn die wurde in ihrer über tausendjährigen Geschichte zwar mehrfach belagert, aber niemals eingenommen. Mehr als genug Zeit, um den ein oder anderen bekannten Gast zu beherbergen. Die deutsche Dichterin Annette von Droste-Hülshoff lebte und wirkte hier acht Jahre lang. Und auch heute noch hat der literarische Geist die Burg fest im Griff: Beim Literarischen Jour Fixe lädt der Internationale Bodensee Club sechsmal im Jahr zum Diskutieren, Fantasieren und Zuhören ein.
Neuschwanstein: das Aushängeschild der Schlösser in Deutschland
Im Sommer platzen die Parkplätze und Zubringerwege rund um Neuschwanstein aus allen Nähten. Mit jährlich 1,5 Millionen Besuchern ist das bayerische Märchenschloss das beliebteste hierzulande. Erbaut wurde es ab 1869 für den bayerischen König Ludwig II., der neben Neuschwanstein auch für weitere Schlösser in Deutschland verantwortlich ist – die bayerische Tourismusbehörde dankt. Was von außen nach mittelalterlicher Ritterburg aussieht, überzeugt im Inneren mit modernster Technik. Zentralheizung, automatische Toilettenspülungen und eine elektrische Rufanlage, über die Ludwig mit seinen Bediensteten kommunizieren konnte. Und mehr noch: Ein Speiseaufzug beförderte die ein oder andere Köstlichkeit von der Küche bis in Ludwigs Esszimmer. Smart Home in seiner frühen Erscheinung. Das luxuriöse Bauprojekt kostete Ludwig letzten Endes mehr als doppelt so viel, wie geplant, und nahm das Dreifache an Zeit in Anspruch. Fast tragisch, dass der König kurze Zeit vor der Fertigstellung verstarb. Bis heute verbleibt Neuschwanstein unvollendet – dem Charme des Schlosses tut das aber offensichtlich keinen Abbruch.
Das Jüngste aller Schlösser in Deutschland: Schloss Neumühle in der Altmark
Schloss Neumühle im sachsen-anhaltischen Beetzendorf wurde erst im Jahr 1942 fertiggestellt. Damit ist es das Jüngste aller Schlösser in Deutschland. Nachdem die Adelsfamilie von der Schulenburg durch den Bau des VW-Werks im benachbarten Wolfsburg enteignet wurde, errichteten sie sich ab 1938 einen neuen Wohnsitz: Schloss Neumühle. Bewohnt wurde dieses von den Besitzern allerdings nur knappe drei Jahre. Zuerst die Amerikaner und später die sowjetische Armee beschlagnahmten das Schloss und plünderten einen Großteil des Besitzes. Allerdings wussten sie anscheinend nicht, dass die Gräfin von der Schulenburg wohl einen Teil des Familienschatzes in einer Doppelwand im Schloss versteckt hatte. Der wurde erst 2001 wiederentdeckt und in den Familienbesitz übergeben. Von Geflüchtetenunterkunft und Tuberkuloseheilstätte bis hin zur Pflegeeinrichtung für Menschen mit geistiger Behinderung: Schloss Neumühle blickt auf eine bewegte Geschichte. Seit 2000 wird es durch einen Hamburger Immobilienhändler verwaltet und ist für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Schade eigentlich, denn fast alles am jüngsten Schloss Deutschlands ist filmreif.
Das „Neuschwanstein des Nordens“ auf der Schweriner Schlossinsel
Aus gutem Grund steht Schloss Schwerin seit 2014 auf der Anwärterliste des UNESCO Welterbes. Denn das eindrucksvolle Schloss ist eines der beliebtesten Ausflugsziele in Mecklenburg-Vorpommern, das häufig sogar als „Neuschwanstein des Nordens“ bezeichnet wird. Und tatsächlich: Die verspielten Türme und sanften Farben des Schlosses erinnern an das bayerische Märchenschloss, ebenso wie die hohen Besucherzahlen. Schloss Schwerin erhielt zwischen 1845 und 1857 seine jetzige Form, obwohl die Geschichte der ersten Festungen viel weiter zurückreicht. Heute ist es eines der wenigen Schlösser in Deutschland, in dem noch immer Politik gemacht wird. Seit 1990 hat der mecklenburgische Landtag hier seinen Sitz. Und wenn die Politik zwischendurch mal zu anstrengend wird, dann wird das Schweriner Schloss gerne auch als Filmkulisse genutzt, wie für den 2017 erschienenen Blockbuster Kingsman: The Golden Circle.