Römischer Beton: unkaputtbar und umweltfreundlich
Während moderne Gebäude oft schon nach einigen Jahrzehnten abgerissen werden müssen, überdauern die Bauwerke der römischen Antike die Zeit. Was hat es mit dem römischen Beton auf sich und welches bemerkenswerte Potenzial birgt er?
Moderne Stahlbeton-Bauten beginnen bereits nach wenigen Jahren den Elementen zum Opfer zu fallen. Die Haltbarkeit des Baumaterials deutscher Autobahnbrücken beispielsweise ist ungefähr auf 50 Jahre angesetzt. Mit neuartigen Betonversionen könnte diese auf maximal 100 bis 120 Jahre verlängert werden. Wie also kann es sein, dass viele Bauwerke der römischen Antike wie das Kolosseum oder das Pantheon 2000 Jahre und mehrere Erdbeben später noch existieren?
Die Antwort lautet „Opus caementitium“ bzw. römischer Beton. Noch heute bestehen Teile des Abwassersystems mediterraner Städte aus diesem Baumaterial. Lange Zeit galt das Geheimnis um die Langlebigkeit und Widerstandskraft von römischem Beton ungelüftet, doch Forscher konnten das Rätsel lösen.
Geheimzutat: Vulkangestein
In der italienischen Gegend um Pozzuoli kam es vor circa 40.000 Jahren zu mehreren großen Vulkanausbrüchen. Bis heute kommt das von den Eruptionen ausgestoßene Material, das Puzzolan, noch in den Bergen der Gegend vor. Die alten Römer machten sich dieses Material zu Nutze und mischten es in ihre Beton-Mixtur. Opus caementitium hat die antike Architektur grundlegend revolutioniert. Die Lufteinschlüsse im porösen Puzzolan machen es zu einem leichten Material, das sogar in Wasser schwimmen kann. Den Römern gelang damit der erste Leichtbeton der Geschichte. Die im Durchmesser 43 Meter messende Kuppel des Pantheons beispielsweise besteht aus Platten dieses Leichtbetons. Mit herkömmlichen Baustoffen wie Naturstein oder Ziegeln wäre die Konstruktion zusammengefallen.
Ein Baustoff mit Selbstheilungskräften
Eine weitere bedeutsame Eigenschaft des römischen Betons liegt in der Fähigkeit, Risse im Material wieder zu versiegeln. Forscher fanden heraus, dass das Geheimnis für diese besondere Eigenschaft in den weißen Kalkbrocken liegt, die mutmaßlich beim Anmischen dieses nachhaltigen Baustoffes entstanden. Durch Risse und Poren, die im Laufe der Zeit im Beton entstehen, kann Wasser ins Material eindringen. Die Flüssigkeit löst Kalzium aus den Kalkbrocken. Das entstandene Kalziumkarbonat reagiert mit der Vulkanasche im Beton und versiegelt die durch die Witterung entstandenen Lücken. So werden mikroskopisch kleine Risse verschlossen, bevor sie sich ausbreiten und Schäden am Bauwerk verursachen können.
Dieser Prozess könnte die Langlebigkeit und Stabilität antiker römischer Bauwerke erklären. Während moderner Beton chemische Veränderungen unterdrückt, haben die Römer ihn so angemischt, dass er genau das Gegenteil tut. Zum Beweis für die Selbstheilungskräfte des Baumaterials verglichen Forscher den römischen Beton mit herkömmlichem Beton. Zunächst erzeugten sie Risse in den Strukturen, dann ließen sie Wasser durch die Proben laufen. Innerhalb von zwei Wochen waren die Risse im römischen Beton vollständig versiegelt. Durch die andere Probe lief das Wasser hingegen ungehindert weiter.
Was könnte römischer Beton für die Umwelt bedeuten?
Durch die neuen Erkenntnisse inspiriert, arbeiten Forschende nun an neuen Zementmischungen. Die Fähigkeit Risse von selbst zu schließen, könnte der Schlüssel für einen neuen und nachhaltigeren Beton sein. Moderner Beton entsteht unter Temperaturen von bis zu 1.450 Grad Celsius. Für die Herstellung von römischem Beton wären nur 900 Grad nötig. Auch hier kommt die Vulkanasche zum Tragen. Dank des Puzzolans ist eine Temperatur von 1.000 Grad ausreichend, weil das Material im Vulkan quasi vorgebrannt wurde.
Jedes Jahr werden auf der Welt rund 20 Milliarden Tonnen Beton verbraucht. Eine Temperatursenkung bei der Herstellung würde eine Ersparnis an Energie bedeuten. Das nachhaltige Potenzial der Herstellung von römischem Beton liegt also vor allem in der Einsparung der CO₂-Emissionen. Die Betonherstellung macht aktuell rund acht Prozent der globalen Kohlenstoffdioxidemissionen aus. Sollte sich die Produktionsform nach der Rezeptur des römischen Betons in der Baubranche durchsetzen, ließe sich der Emissionswert reduzieren, so die Forschenden. Da die Vulkanasche allerdings kein erneuerbarer Rohstoff ist, forscht die Wissenschaft aktuell nach Ersatzstoffen mit ähnlichen Eigenschaften, die bereits großer Hitze ausgesetzt waren.
Moderner Stahlbau für die Ewigkeit
Sollte es gelingen, die Produktion von Zement und Beton so anzupassen, dass die Gebäude den Witterungen deutlich länger standhalten, könnte dies auch eine große Veränderung für das Stadtbild der Zukunft bedeuten. Gebäude müssten deutlich seltener instandgehalten und restauriert werden und es gäbe weniger Baustellen. Vielleicht findet der neue Baustoff ja schon bald seine Anwendung in den modernen Stahlbauten. Das alte Wissen um den römischen Beton hätte somit gleich zwei Vorteile: langlebigeres Bauen und Klimaschutz.