Der Bungalow: Vom Spießerheim zur Trendimmobilie
Lange galt der Bungalow als Bautypus für Einfamilienhäuser in Deutschland als verschrien. Seit ein paar Jahren erlebt der Bungalow jedoch eine Renaissance. Warum? Wir nehmen euch mit auf eine kleine Reise durch die Geschichte des Bungalows.
Lange Zeit galt der Bungalow als Bautypus für Einfamilienhäuser in Deutschland als verschrien. Hing dem funktionalen und barrierefreien Wohnbau dieser Gattung doch der Ruf des spießigen Eigenheims für Besserverdiener aus der Elterngeneration an.
Dem als Muff der Vergangenheit empfundenen Stil der 50er und 60er wollte niemand etwas abgewinnen, der hip, trendy oder am Puls der Zeit sein wollte. Ab den 1980er-Jahren war der Wunsch nach einem Wohn- und Lebensraum auf einer ebenerdigen Etage weitgehend verpönt.
Erst in den vergangenen 10 Jahren erlebt der Bungalow eine Renaissance, gilt wieder als schicker Wohnraum.
Was versteht man unter einem Bungalow?
Eine wirklich klare Definition, was einen Bungalow auszeichnet, gibt es nicht. Nicht einmal innerhalb der Architektur- und Kunstgeschichte gibt es den Bungalow streng genommen als wirklich definierte Bauform. Diesen Bauten hängt ein wenig der Charme eines Phantoms an.
Das fängt schon damit an, dass seine weitläufige Bezeichnung in der Architektur daher rührt, dass es für eine Definition an Kategorisierungskriterien fehlte. Also entlieh man sich eines Wortes, das in der Hindi-Sprache eigentlich ein schlichtes Landhaus bezeichnet. Außerdem war die Bezeichnung Bungalow in anderer Art und Weise schon mehrfach besetzt.
Der Amerikaner zum Beispiel nennt so ziemlich jedes Einfamilienhaus in den Vorstädten so, die Reisebranche spricht gar vom Bungalow, meint damit aber ein Ferienhaus. Trotzdem: Als sich in den 1980er-Jahren im Architekturbetrieb die geschichtlichen Diskurse um diesen Haustypus drehten, wurde der Begriff Bungalow abermals bemüht.
Und der Begriff findet selbst dann Verwendung, wenn die Häuser eben nicht vollständig nur auf einer Ebene Raum bieten. Denn die meisten ebenerdigen Bungalows sind unterkellert.
Welche Arten von Bungalows gibt es?
Der klassische Bungalow
In der klassischen Variante besitzt der Bungalow ein Flachdach, der Wohnbereich ist komplett ebenerdig ausgebildet.
Der Vorteil des Flachdachs: Im Winter bildet es eine zusätzliche Wärmedämmung, im Sommer kühlt die Deckenschicht die Räume. So ein Flachdach ist baulich kostengünstiger und benötigt weniger Pflege als andere Dacharten. Auch eine Begrünung des Dachs ist möglich.
Der Bungalow mit Walmdach und Satteldach
Bungalows mit Walmdach sind überaus beliebt. In diesen Versionen ist das Walmdach an Front und Rückseite des Hauses über die Grundfläche hinausgezogen. Walmdach-Bungalows haben eine viel größere Deckenhöhe zu bieten und unter den Dächern lässt sich zusätzlicher Stauraum schaffen. Die Varianten mit klassischen Satteldächern bieten ähnliche Vorteile, aber fügen sich vom Gesamtbild sogar optisch noch besser in bestehende Wohnsiedlungen mit anderen Haustypen ein.
Der Bungalow mit Pultdach
Pultdächer mögen nur auf den ersten Blick wie gewöhnliche Flachdächer erscheinen: Im Gegensatz zur klassischen Ausführung sind diese einseitig abgesenkt, sodass auch nur einseitig eine Regenrinne verbaut wird. Ebenfalls besteht die Möglichkeit, dass die Deckenhöhe in einzelnen Bereichen der Wohnfläche variieren kann.
Bungalows und ihre Grundrisse
Bungalows sind Formsache: Ein Bungalow muss von seiner Fläche her nicht zwingend ausgebildet sein wie ein Quader. Die Wohnebene kann ebenfalls L-, T-, oder U-förmig angeordnet werden. Bei den Bauformen sind theoretisch keine Grenzen gesetzt.
Bungalow: Vor- und Nachteile des Bautyps
Was für Bungalows spricht
Durch die ebenerdige Bauweise sind die Wohnflächen komplett barrierefrei und gleichermaßen für Familien mit kleinen Kindern und für ältere, mobilitätseingeschränkte Menschen gut geeignet.
Weil nur wenig Rücksicht auf die Statik genommen werden muss, können Wohn- und Schlafräume in Bungalows individuell verteilt werden.
Fenster und Fensterfronten können überall in beliebiger Größe großzügig verbaut werden, was ein hohes Maß an Tageslichtdurchflutung der Wohnbereiche ermöglicht.
Erweiterungen und Ausbauten von Bungalows sind im Gegensatz zu anderen Haustypen einfach und relativ unkompliziert realisierbar.
Was gegen Bungalows spricht
Dadurch, dass alle Räume ebenerdig liegend ausgebildet werden, benötigen Bungalows viel mehr Grundstücksfläche als andere Häusertypen.
Von außen sind Bungalows einfacher einzusehen als andere Häuser. Um Privatsphäre der Bewohner zu erhalten, müssen möglicherweise zusätzliche Begrünung oder andere Sichtschutzmaßnahmen rund um das Haus herum umgesetzt werden.
Sind Bungalows unterkellert, ist die theoretische Barrierefreiheit durchaus eingeschränkt.
Wer hat den Bungalow erfunden?
So viel zur Theorie. Aber woher kommt der Bungalow nun überhaupt?
So viel vorweg: Den einen Erfinder dieser Häusergattung gibt es nicht. Die ebenerdige Bauweise von Wohnhäusern sollen im 18. Jahrhundert britische Kolonisten in Indien adaptiert haben. Von da an verbreitete sich der Bautypus vorrangig in den USA.
Kleine Geschichte des Bungalows in Deutschland
Die Bungalows von Mies van der Rohe
In der modernen Architekturgeschichte Deutschlands spielte der Bungalow ab den 1930er-Jahren vermehrt eine Rolle. Insbesondere der Architekt Ludwig Mies van der Rohe schuf einige bemerkenswerte, ebenerdige Flachdachhäuser, die heute als Baudenkmäler der Architekturgeschichte gelten.
Walter Brune etablierte den Bungalow in Westdeutschland
Vollends etablierte der Architekt Walter Brune (1926 – 2021) den Bungalow in den 50er und 60er Jahren in Westdeutschland. Seine luxuriösen und formverspielten Entwürfe manifestierten diesen Haustypus im Architekturgedächtnis der Wirtschaftswunder-Ära.
Inspiriert durch den Stil US-amerikanischer Vorstadtvillen schuf Brune bemerkenswerte Bungalows für alle Ansprüche in der gesamten Republik. Sein privates Wohnhaus, der sogenannte „Barbarahof“ am Düsseldorfer Stadtrand, entstand zwischen 1951 und 1954 und ist bis heute einer der schönsten Bungalows überhaupt.
Sep Ruf und der Kanzlerbungalow
Auch der Architekt und Designer Sep Ruf (1908 – 1982) ist mit der Bungalow-Geschichte Deutschlands auf ewig verbunden. Nach seinen Plänen entstand 1963 bis 1966 in Bonn der Kanzlerbungalow, der bis 1999 als Wohn- und Empfangsgebäude der deutschen Bundeskanzler genutzt wurde. Den Auftrag zu dem seit 2001 unter Denkmalschutz stehenden Bungalow gab der spätere Kanzler Ludwig Erhard. Die Baukosten beliefen sich zur Entstehungszeit auf zwei Millionen D-Mark.