Windkraft-Drachen: Stromproduktion neu gedacht
Die Klimakrise ist in vollem Gange. Um ihr entgegenzuwirken, muss Deutschland auf erneuerbare Energien umstellen und dabei spielt Windkraft eine bedeutende Rolle. Doch ihr Ausbau stockt seit Jahren. Sind Windkraft-Drachen die Lösung?
Im vergangenen Jahr hat Deutschland einen Rekord verzeichnet. Mit fast 60 Prozent wurde so viel nachhaltiger Strom produziert wie noch nie zuvor. Ein Grund zur Freude – aber kein Anlass, sich auszuruhen. Denn bis 2030 sollen 80 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen produziert werden und der Wechsel von fossiler zu grüner Energie geht nur schleichend voran. Der Windsektor ist Problemkind Nummer 1. Während immer mehr Solaranlagen gebaut werden, stockt der Ausbau der Windenergie seit 2017. Doch es gibt Entwicklungen, die neuen Schwung in die Branche bringen und die Energiewende vorantreiben können.
Hoch hinaus: Windkraft-Drachen nutzen Höhenwind
Wer schon mal auf einem Berg oder einem Aussichtsturm stand, weiß: Hier weht es sehr stark. Je weiter man nach oben gelangt, desto kräftiger und beständiger geht der Wind. Und dieser Höhenwind soll jetzt zur Stromgewinnung genutzt werden. Mit Windkraft-Drachen wollen drei Firmen da hinkommen, wo Windräder nicht eingesetzt werden können.
Zudem sollen die Windkraft-Drachen das Landschaftsbild weniger stören als Windräder. Ein wichtiger Punkt, wenn man bedenkt, dass Bürger sich vielerorts über die „Verschandelung der Landschaft“ beschweren, wenn in der Nähe ihrer Gemeinde ein Windpark entstehen soll. Aber wir effizient sind die Windkraft-Drachen wirklich? Und wie funktionieren sie? Im Rahmen verschiedener Projekte gibt es dafür unterschiedliche Ansätze.
„Skysails“ aus Hamburg entwickelt XL-Drachen
Doppelt so viel Stromertrag wie ein Windrad – dieses Versprechen gibt das Hamburger Unternehmen „Skysails“ bezüglich seiner Windkraft-Drachen. Sie sehen so aus wie Lenkdrachen im XL-Format, denn sie sind bis zu 16 Meter lang und 180 Quadratmeter groß. Auf einer Höhe von bis zu 400 Metern fangen sie Wind ein und sind dabei durch ein Seil mit einem Generator am Boden verbunden. Auf optimaler Flughöhe fliegt der Drachen Achten und erzeugt dabei Energie, die vom Generator zu Strom umgewandelt wird.
Die Windkraft-Drachen sind deshalb besonders effizient, weil sie Höhenluft nutzen können, an die Windräder mit ihrer Durchschnittshöhe von 200 Metern nicht herankommen können. Zudem sind ihre Material- und Logistikkosten gering, denn die Textil-Drachen bestehen aus einem ultraleichten Stoff. Perfekt sind sie aber noch nicht – das Team aus Hamburg arbeitet gerade daran, die Drachen noch leistungsstärker und stabiler zu machen. Gleichzeitig suchen die Forscher nach Upcycling- oder Recyclingmöglichkeiten für gebrauchte Drachen. Denn aktuell müssen diese noch mehrfach im Jahr ausgetauscht werden. Eine erste Drachen-Windkraftanlage von Skysails ist 2023 auf der Insel Mauritius in Betrieb genommen worden.
„Enerkite“ aus Eberswalde erzeugt Billig-Strom mit Windkraft Drachen
Gleiche Idee, unterschiedliche Ausführung: Die Firma „Enerkite“ aus Eberswalde in Brandenburg macht vieles genauso wie „Skysails“. Sie setzt beim Material der Windkraft-Drachen allerdings nicht auf Textilfasern, sondern auf eine aerodynamische Carbon-Rippen-Struktur. Die Flügel sind ebenfalls ultraleicht und benötigen wenig Material, es werden beispielsweise 90 Prozent weniger Stahl und Beton als bei konventionellen Windkraftanlagen benötigt.
Das sorgt nicht nur für eine positive Klimabilanz, sondern senkt auch die Kosten derart, dass Strom schon zum Preis von 3 Cent pro Kilowattstunde erzeugt werden kann. Zum Vergleich: Bei herkömmlicher Windenergie lag der Preis im Jahr 2021 zwischen 8,8 Cent (Onshore) und 18,5 Cent (Offshore) pro Kilowattstunde. Die Entwicklung der aerodynamischen Flügel profitiert von den persönlichen Erfahrungen des technischen Leiters Christian Gebhardt – er ist nämlich ehemaliger Weltmeister im Speed-Kiting.
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Besonders praktisch in der Erzeugung von Windenergie ist der rotierende Mast, den die Firma entwickelt hat. Er kann den Flügel auch bei Windstille in die Höhe ziehen, was dafür sorgt, dass die Enerkite-Anlagen vielerorts eingesetzt werden können. Insgesamt bietet dem Unternehmen zufolge rund 80 Prozent der weltweiten Landfläche ausreichend Wind für den wirtschaftlichen Betrieb einer Enerkite-Anlage. Bei herkömmliche Windkraftanlagen rechnet sich der wirtschaftliche Betrieb nur auf 25 Prozent der Landfläche.
"Kitekraft" aus München entwickelt Aluminium-Drachen mit Rotoren
Während die Windkraft-Drachen aus Hamburg und Eberswalde äußerlich tatsächlich an die Lenkdrachen erinnern, die man in Kindertagen hat steigen lassen, sehen die in München entwickelten Drachen von „Kitekraft“ eher aus wie Drohnen. Sie bestehen größtenteils aus Aluminium, was den Vorteil mit sich bringt, dass sie sich leicht recyceln lassen. Außerdem enthalten sie mehrere kleine Windräder, mit denen sie direkt in der Luft Strom erzeugen.
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Seit 2018 tüfteln die Entwickler an den Windkraft-Drachen. Im Oktober 2023 wurde die Flugwindkraftanlage dann an das öffentliche Stromnetz angeschlossen – als erstes „flying-generation“ Flugwindkraftsystem seiner Art. Die Gemeinde Oberhaching bei München wird von der kleinen Flugwindkraftanlage auf dem Weg zur vollständigen Ökostrom-Versorgung unterstützt.
Welche Zukunft haben die Windkraft-Drachen?
Die größte Herausforderung besteht Experten zufolge wenig verwunderlich in den aktuell noch fehlenden Genehmigungen. Es braucht Regelwerke, nach denen Behörden ihre Zustimmung zur Nutzung der Anlagen erteilen können.
Ablösen werden die Windkraft-Drachen herkömmliche Anlagen vermutlich auch dann nicht, wenn die Genehmigungen vorliegen. Aber mit ihren vielseitigen Einsatzmöglichkeiten stellen sie eine perfekte Ergänzung zu anderen nachhaltigen Energiequellen dar. Sie könnten beispielsweise mit Solarparks gekoppelt werden und dort Strom erzeugen, wenn Wolken die Photovoltaikproduktion erschweren.