Weltraumtourismus: Der neue Wettlauf ins All
Die kommerzielle Raumfahrt boomt. Ob Virgin Galactic, Blue Origin oder SpaceX: Immer mehr Unternehmen suchen ihr Glück im All. Das Geschäft reicht von Weltraumtourismus und Erdbeobachtungssatelliten bis hin zu privaten Frachtflügen zur ISS.
Über 60 Jahre ist es nun schon her, dass mit Yuri Gagarin der erste Mensch ins All flog. Seit diesem historischen Moment im April 1961 hat sich unsere Faszination für die unendlichen Weiten des Kosmos keineswegs gelegt. Im Gegenteil: Immer leistungsstärkere Raketen, ständig verbesserte Navigationssysteme und Heerscharen von Ingenieuren und Wissenschaftlern aus aller Welt ermöglichten es inzwischen fast 600 Menschen, in die Fußstapfen des russischen Raumfahrtpioniers zu treten.
Branson, Bezos, Musk: Wettstreit der Milliardäre
2021 erreichte die Begeisterung für den Weltraum einen neuen Höhepunkt, als sich die drei Milliardäre Richard Branson, Jeff Bezos und Elon Musk einen regelrechten Wettstreit ins All lieferten.
Als erstes trumpfte dabei der 70-jährige Unternehmer Richard Branson auf, der sich mit seiner Raumfahrtfirma Virgin Galactic am 11. Juli an den Rand des Weltraums beförderte und an Bord seines Raumschiffes „VSS Unity“ drei Minuten Schwerelosigkeit genoss. Nur wenige Tage später begab sich auch Amazon-Gründer Jeff Bezos auf einen solchen Suborbitalflug. Mit dem Raumschiff seiner Firma Blue Origin schaffte er es, die Flughöhe seines Rivalen sogar noch um ein paar Kilometer zu überbieten.
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Den größten Erfolg des Jahres feierte jedoch unzweifelhaft SpaceX: Zwei Monate nach den Flügen von Virgin Galactic und Blue Origin schoss die Firma des Tesla-Gründers Elon Musk vier Menschen auf über 500 Kilometer in den Orbit. Die ausschließlich aus Laien bestehende Crew verbrachte dabei allerdings nicht nur ein paar kurze Augenblicke im All, sondern umrundete in ihrer weitestgehend automatisch-gesteuerten „Dragon“-Kapsel volle drei Tage lang die Erde. Inzwischen scheint es für Elon Musk keine Grenzen mehr zu geben: In weniger als zehn Jahren plant der umtriebige Unternehmer sogar mit der Besiedelung des Mars zu beginnen.
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Weltraumtourismus – trotz Klimawandel?
Zugegeben: Die öffentlich inszenierte Rivalität zwischen Branson, Bezos und Musk erinnerte viele eher an das Muskelspiel pubertierender Schuljungen als an den Wettstreit genialer Visionäre. Über die (absichtlich?) zweideutige Form von Bezos „New Shepard“-Rakete wurde in diesem Zusammenhang schon zur Genüge berichtet.
Auch die Umweltbelastung der Raketenstarts scheint in Zeiten, in denen immer mehr Menschen für den Klimaschutz auf das Fliegen verzichten, mindestens diskutabel. Dennoch lässt sich nicht leugnen, dass die Projekte von SpaceX und Co. gerade erneut die Faszination für den Kosmos entfachen. Der Weltraumtourismus scheint in greifbare Nähe gerückt zu sein.
Wie teuer ist ein Flug ins Weltall?
Wer sich jetzt allerdings schon an Bord einer der nächsten Flüge ins All wähnt, muss sich noch etwas gedulden: Aktuell sind touristische Weltraumabenteuer noch ein Vergnügen, das ausschließlich den Superreichen vorbehalten bleibt. Ein kurzer Trip ins All kostet bei Virgin Galactic momentan etwa noch schlappe 250.000 US-Dollar. Bei solchen Suborbitalflügen, wie sie demnächst unter anderem auch Blue Origin anbieten will, kommen Passagiere zwar nicht bis in die Erdumlaufbahn, dafür aber in den Genuss von ein paar Minuten Schwerelosigkeit – spektakulärer Anblick der Erde aus dem All inklusive.
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Wer weiter hinaus will, muss selbstverständlich noch ein wenig tiefer in die Tasche greifen: Ende März plant das US-amerikanische Raumfahrtunternehmen Axiom Space in Zusammenarbeit mit SpaceX einen Flug zur Internationalen Space Station (ISS), auf dem drei Touristen an Bord sein werden. Für das Ticket sollen die illustren Gäste 55 Millionen US-Dollar hingelegt haben. Pro Person.
Weltraumtourismus: Eine Zukunftsphantasie?
Doch werden Flüge ins All für Normalsterbliche auch weiterhin unerschwinglich bleiben? Hendrik Fischer, stellvertretender Abteilungsleiter für Strategie und Kommunikation bei der Deutschen Raumfahrtagentur, prognostiziert:
»Weltraumtourismus in großem Maßstab halte ich aktuell für Traumtänzerei. Ich kann mir jedoch gut vorstellen, dass zumindest Suborbital-Flüge mittelfristig günstiger werden könnten. – Hendrik Fischer, Deutsche Raumfahrtagentur«
Ein Blick in die Geschichte hilft dabei, den aktuellen Trend einzuordnen: „Anfang der 1950er Jahre hatte ein einfacher Transatlantik-Flug in etwa den Gegenwert eines durchschnittlichen Monatsgehalts und war damit ein ziemlich elitäres Vergnügen. Heutzutage können sich so etwas die meisten zumindest einmal leisten“, sagt Fischer. Das Angebot von Suborbitalfügen könnte sich seiner Meinung nach ähnlich entwickeln: „Es wird zwar immer noch ein teures Vergnügen sein, aber dennoch etwas, das im Rahmen der Möglichkeiten liegt. Ich kann mir vorstellen, dass das Kostenniveau in den nächsten 30 Jahren auf vielleicht 10.000 Euro pro Flug sinken könnte.“
Die Kommerzialisierung der Raumfahrt
Doch so faszinierend der Weltraumtourismus auch sein mag – er ist nur ein sehr kleiner Teilbereich einer allumfassenden und stetig voranschreitenden Kommerzialisierung der Raumfahrt. Am Beispiel der NASA lässt sich diese Entwicklung gerade besonders gut beobachten. Nachdem die US-Raumfahrtbehörde 2011 offiziell ihr prestigeträchtiges Spaceshuttle-Programm einstellte, gingen im Rahmen des Commercial Crew Programs Aufträge an private Unternehmen. Im Mai 2012 etwa flog zum ersten Mal ein SpaceX Raumschiff für die NASA zur ISS, um die Station mit mehr als 500 Kilogramm Fracht zu beliefern. Seitdem finden solche von privaten Unternehmen organisierten Versorgungsflüge immer regelmäßiger statt. Die Grenzen zwischen dem kommerziellen und staatlichen Bereich verschwimmen dabei zusehends.
»Die Raumfahrtwelt ist derzeit im Umbruch – bestätigt Hendrik Fischer«
Während kostspielige Projekte wie der Bau von Raketen früher von der Planung bis zur Fertigstellung zu großen Teilen komplett in Händen des Staates lagen, setzt man nun stärker auf die Eigeninitiative von Unternehmen. „Die Entwicklung geht eindeutig in die Richtung des freien Marktes“, erklärt Fischer. „Anders als noch vor 15-20 Jahren gibt es heute mehr Unternehmen, die kommerzielle Geschäftsmodelle verfolgen und mehr als nur staatliche Kunden im Blick haben. Das befeuert den Wettbewerb und führt nicht zuletzt dazu, dass die Raumfahrt langfristig gesehen günstiger wird.“
Raumfahrt-Konkurrenz befeuert Innovationen
Mehrere Jahre lieferte sich SpaceX so zum Beispiel ein enges Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem Luftfahrtgiganten Boeing, bei dem es darum ging, für die NASA ein neues Raketensystem zur Beförderung von Astronauten zur ISS zu entwickeln. In mehreren Ausschreibungsphasen versuchten sich die beiden Unternehmen in Sachen Effektivität und Wirtschaftlichkeit immer wieder gegenseitig zu übertreffen. Die Konkurrenz förderte dabei jedoch nicht nur die Notwendigkeit, Kosten zu senken – sie war auch ein wichtiger Katalysator für Innovation.
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So entwickelte SpaceX mit der „Falcon9“ zum Beispiel eine Trägerrakete, deren Unterstufe wiederverwendbar ist – ein Fortschritt im Vergleich zu der Technologie vergangener Jahrzehnte. Vermutlich war es eben diese Kreativität, die dem Unternehmen schließlich auch den Sieg im Kampf gegen Boeing bescherte: Im Mai 2020 war SpaceX die erste private Raumfahrtfirma, die zwei Astronauten zur ISS beförderte.
Satellitendaten als Geschäftsmodell
Neben dem Bau von Raketen und dem Transport von Fracht ins All, hat sich in den letzten Jahren aber noch ein weiteres lukratives Betätigungsfeld für Unternehmen ergeben: Das Geschäft mit Satellitendaten. „In der Raumfahrt geht es nicht nur um die Exploration des Alls, sondern auch um Dinge, die ganz elementar sind für das Leben auf der Erde. Das reicht von Kommunikation- und Navigationstechnologie bis hin zum Klimaschutz. All dies wird unterstützt durch Daten von Erdbeobachtungssatelliten“, erzählt Nicole Thalhofer. Sie ist Leiterin des Bereichs Raumfahrt beim Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI).
„Vielen ist gar nicht bewusst, wie viele Bereiche unseres Alltags inzwischen von Satelliten abhängig sind. Ohne die Leistungen der Raumfahrt würden wir auf einen Schlag wieder auf dem Stand der 1960er Jahre sein“, so die Expertin weiter.
Bestes Beispiel: Die GPS-Navigation im Smartphone, die über Satellitenortung funktioniert und heute zum absolut unverzichtbaren Tool geworden ist. Den Weg zum Restaurant ohne die Kartenfunktion des Smartphones finden? Mittlerweile fast undenkbar. Für Unternehmen liegt im Bereich der Satellitendaten großes Wachstumspotenzial. So sagt die US-Investmentbank Morgan Stanley für das Jahr 2040 etwa einen globalen Umsatz der Weltraumindustrie von über einer Billion US-Dollar voraus, wobei Satellitentechnologie den wohl größten Anteil haben wird.
Mit Satelliten den Klimawandel bekämpfen
Natürlich ermöglicht Satellitentechnologie noch weitaus mehr als lediglich Kommunikation und Navigation – etwa im Bereich der Klimaforschung. Ein Paradebeispiel hier ist das europäische Copernicus Programm. Das von der Europäischen Kommission und der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) ins Leben gerufene Satellitenprojekt liefert seit 2014 Erdbeobachtungsdaten, die unter anderem dabei helfen sollen, den Klimawandel besser zu erforschen. Die Satelliten des Programms tragen den Namen „Sentinel“, also Wächter.
Annett Feige, Leiterin des BDLI Arbeitskreises Kommunikation und Raumfahrt, erklärt: „Im Rahmen des Copernicus Programms wurde bereits der Satellit Sentinel-3 gestartet, der die Aufgabe hat, die Meeresoberflächentemperatur auf 0,1 Grad Kelvin genau zu erfassen.“
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Die so gewonnen Daten sollen den Forschenden Auskunft über das Schmelzen der Polarkappenund dadurch auch über die Entwicklung des Klimas insgesamt geben. „Durch den Vergleich mit Klimadaten aus den vergangenen Jahrzehnten werden wir mithilfe neuer Satelliten Klimamodelle erstellen können. Diese werden es schließlich auch erlauben, entsprechende Klimaschutzmaßnahmen für bestimmte Regionen auf der Erde ebenso wie für den gesamten Planeten zu entwickeln“, sagt Feige.
Welche Rolle spielt Deutschland im Weltraumtourismus?
Als Unternehmensstandort und einer der Weltmarktführer im Bereich der Satellitenherstellung spielt auch Deutschland vor diesem Hintergrund eine wichtige Rolle. „Mittlerweile ist deutsche Technologie auf einer Vielzahl von staatlichen und kommerziellen Satelliten verbaut. Aus diesem Grund wird Deutschland auch in Zukunft zu den wichtigsten Playern in Raumfahrttechnologie gehören und bei Themen wie Weltraumtourismus und der Erforschung des Alls eine entscheidende Rolle spielen“, bestätigt Feige.
Doch Deutschland ist nicht nur im Bereich der Satellitentechnologie zu einem unverzichtbaren Akteur geworden. So baut etwa die Firma Airbus Defence and Space in Bremen aktuell das sogenannte europäische Service Modul. Das Modul ist ein wesentlicher Bestandteil des Orion-Raumschiffes, das die NASA in Zusammenarbeit mit der ESA entwickelt. 2024 soll es im Rahmen des Artemis-Programms zum ersten Mal seit 1972 wieder Astronauten auf den Mond bringen.