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Ernte mit schmutzigen Händen hält Bündel frisch geernteter Karotten, deren Blattgrün und Erdkrümel an den Wurzeln haften
Wer in Oosterwald bei Amsterdam lebt, muss die Hälfte seines Grundstücks für den Anbau von Lebensmitteln nutzen. Bild: Getty Images / MoMo Productions

Oosterwold: Wenn das Gemüsebeet zur Pflicht wird

In Oosterwold bei Amsterdam ist Pflanzenanbau keine freiwillige Freizeitbeschäftigung, sondern Pflicht. Das Wohnexperiment verbindet Stadtplanung, Selbstversorgung und Nachhaltigkeit – und zeigt, wie urbanes Leben in Zukunft aussehen könnte.

In Oosterwold, einem Ortsteil der niederländischen Gemeinde Almere rund 30 Kilometer östlich von Amsterdam, ist ein ungewöhnliches Experiment Realität geworden. Wer hier baut, gestaltet Haus und Grundstück nach eigenen Vorstellungen – mit einer entscheidenden Auflage: Mindestens die Hälfte der Fläche muss für den Anbau von Lebensmitteln genutzt werden. Gemüsebeete, Obstgärten, Kräuter oder Beerensträucher sind nicht nur willkommen, sondern verpflichtender Bestandteil des urbanen Konzepts.

Eigenverantwortung als Prinzip

Die Idee dahinter ist so einfach wie radikal: Wohnen soll nicht länger nur Konsum von Raum sein, sondern Produktion einschließen. Bewohnerinnen und Bewohner dürfen ihre Grundstücke und Häuser frei gestalten, müssen jedoch einen Entwicklungsplan vorlegen, der beschreibt, wie sie die geforderte landwirtschaftliche Nutzung umsetzen wollen.

Modernes Gebäude zeigt Holzfassade, große Verglasung und eine schräge begrünte Dachfläche mit Solarmodulen bei klarem Himmel____
Mit begrünten Dächern und Solaranlagen bringen die Bewohner in Oosterwald klimafreundliches Wohnen voran. Bild: Getty Images / Hilda Weges

Es gibt keine zentrale Behörde, die detailliert vorgibt, was wo gepflanzt werden muss. Vielmehr setzt Oosterwold auf Eigenverantwortung und Selbstorganisation. Wer dort lebt, wird automatisch zum Stadtgärtner oder zur Stadtgärtnerin – mit allen Freiheiten, aber auch mit allen Verpflichtungen, die dieses Experiment mit sich bringt.

Doch die Ziele des Projekts gehen weit über die Selbstversorgung hinaus. Oosterwold soll langfristig zehn Prozent des Lebensmittelbedarfs der gesamten Region Almere decken. Damit will man nicht nur Transportwege verkürzen und CO₂ einsparen, sondern auch ein Bewusstsein dafür schaffen, wie viel Aufwand in jedem Apfel, jeder Tomate und jeder Kartoffel steckt. Wer in Oosterwold gärtnert, erlebt den Kreislauf von Aussaat, Pflege, Wetterrisiken und Ernte aus nächster Nähe. Das verändert die Wahrnehmung von Nahrung – weg vom Supermarktregal, hin zur unmittelbaren Erfahrung.

Zwischen Erntefreude und Arbeitsaufwand

Natürlich ist das nicht ohne Herausforderungen. Viele der Bewohnerinnen und Bewohner sind keine gelernten Landwirte. Sie müssen sich erst Wissen aneignen, ausprobieren, Fehler machen. Für manche bedeutet das Frust, wenn die Ernte misslingt oder Schädlinge zuschlagen.

Für andere ist es eine Bereicherung, weil sie neue Fähigkeiten entdecken und Nachbarschaften enger zusammenrücken. Denn wer zu viel Zucchini hat, sucht Abnehmer – und wer nicht genug Äpfel erntet, findet vielleicht Unterstützung beim Nachbarn. Aus dieser Notwendigkeit sind Kooperativen entstanden, Beratungsangebote wurden entwickelt, und digitale Plattformen helfen dabei, Produktion und Verteilung zu organisieren.

Arbeiterin mit Gummistiefeln und Arbeitshandschuhen hält frisch geerntete Kartoffeln über einem gefüllten Korb im Ackerboden____
Gemüse direkt aus dem eigenen Garten zu ernten, macht zwar Spaß, aber auch Arbeit. Bild: Getty Images / Yaorusheng

Die Infrastruktur ist ebenfalls ein Thema. Gemüse will nicht nur angebaut, sondern auch verarbeitet und verteilt werden. Deshalb arbeitet man in Oosterwold an Strukturen wie einem „Food Hub“, der als Schnittstelle zwischen Produzenten und Konsumenten dient. Auf diese Weise kann das Projekt wachsen, ohne dass einzelne Haushalte überfordert werden. Trotzdem bleibt der Arbeitsaufwand hoch: Pflanzen müssen gepflegt, geerntet und gelagert werden – eine zusätzliche Aufgabe neben Beruf und Alltag.

Modell für die Städte der Zukunft?

Was Oosterwold dennoch besonders macht, ist die radikale Konsequenz, mit der Stadtplanung und Nachhaltigkeit hier zusammengedacht werden. In einer Zeit, in der Klimakrise, Lieferkettenprobleme und das Bedürfnis nach gesunder, regionaler Ernährung immer drängender werden, setzt Almere ein Zeichen.

Holzhaus mit geneigtem, begrüntem Dach zeigt an der Seite einen verglasten Gewächshausanbau, in dem Pflanzgefäße stehen____
Die Gestaltung der Wohn- und Landwirtschaftsfläche darf individuell von den Bewohnern selbst bestimmt werden. Bild: picture alliance / Zoonar | Hilda Weges

Auch in Deutschland gibt es Ansätze, die in eine ähnliche Richtung gehen, wenn auch weniger verpflichtend. Urban-Gardening-Projekte in Berlin, München oder Leipzig etwa zeigen, wie gemeinschaftliches Gärtnern das Stadtbild verändern und Nachbarschaften stärken kann. In einigen Neubaugebieten werden Flächen für Gemeinschaftsgärten von vornherein eingeplant, doch bleibt es den Bewohnerinnen und Bewohnern überlassen, ob sie sie nutzen wollen.

Das niederländische Modell ist deutlich strenger – und gerade deshalb ein spannender Prüfstein. Könnte auch hierzulande eine Pflicht zum Anbau funktionieren? Oosterwold beweist, dass es zumindest möglich ist – und dass eine Stadt, die zugleich Lebens- und Ernährungsraum ist, mehr sein kann als nur ein schöner Gedanke.

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