
Grüne Hauptstadt Europas: Was Valencia so nachhaltig macht
Valencia hat sich ein hohes Ziel gesetzt: Bis 2030 will die spanische Stadt komplett klimaneutral sein. Damit das gelingt, werden bereits heute zahlreiche Maßnahmen ergriffen. Für 2024 trägt sie deswegen den Titel "Grüne Hauptstadt Europas" der EU-Kommission.
Spaniens drittgrößte Stadt ist im wahrsten Sinne des Wortes grün. Ihre zahlreichen Parks und Grünflächen machen sie aber nicht nur zu einem beliebten Reiseziel, sondern haben auch dazu beigetragen, dass Valencia die Auszeichnung „Grüne Hauptstadt Europas“ erhalten hat. Nachdem 2022 die französische Stadt Grenoble und 2023 die estländische Hauptstadt Tallinn diesen Titel tragen durften, wurde in diesem Jahr Valencia von der EU-Kommission ausgewählt. Ein guter Anlass, um sich die Stadt einmal genauer anzuschauen. Was macht sie so nachhaltig? Und wo besteht noch Verbesserungsbedarf?
Park statt Autobahn – die grüne Lunge Valencias
Besucher dürften bei ihrer Ankunft in Valencia ins Staunen kommen. Denn die Mittelmeermetropole unterscheidet sich mit ihren zahlreichen Bäumen und Grünanlagen bereits optisch stark von anderen Großstädten. Allein innerhalb der Stadtgrenzen gibt es 200 Hektar Park- und Gartenanalagen. Besonders bemerkenswert ist der Jardín del Turia, einer der größten Naturparks Spanien. Er entstand in den 1980er Jahren im alten Flussbett des Rio Turia, der in den 1960er Jahren umgeleitet worden war. Ursprünglich sollte eine Stadtautobahn auf dem alten Flussbett gebaut werden. Diese Pläne wurden jedoch glücklicherweise verworfen. Stattdessen können Besucher und Bewohner heute in der neun Kilometer langen Parkanlage, die auch als „grüne Lunge Valencias“ bezeichnet wird, zwischen Orangenbäumen, Kiefern und Teichen spazieren. Und auch Cafés und Restaurants sowie Sportanlagen gibt es im Jardín del Turia. Wer den Park durchquert, wird zudem direkt in den an die Stadt angrenzenden 4.600 Hektar großen Naturpark Turia geleitet.

Günstig und emissionsarm unterwegs
Wer in Valencia von A nach B kommen und die städtischen Sehenswürdigkeiten erkunden will, kann das Auto stehen lassen. Die Stadt hat nämlich ein ausgesprochen gut ausgebautes öffentliches Verkehrsnetz und bringt Besucher mit U-Bahn, Bus und Straßenbahn überall hin. Das ist nicht nur gut fürs Klima, sondern auch günstig – eine Busfahrt hat im Jahr 2022 beispielsweise 1,50 Euro gekostet. Das Verkehrsmittel Nummer 1 ist in Valencia aber das Fahrrad – und das nicht nur für Locals. Touristen können sich nämlich an zahlreichen Stellen einfach ein Fahrrad leihen und damit Runden auf den über 200 Kilometer Radwegen durch die spanische Metropole drehen. Wer nicht auf das Auto verzichten möchte, muss beachten, dass es rund um den Stadtkern ein Tempolimit von 30 km/h gibt. Damit werden klimaschädliche Emissionen eingespart und Lärm reduziert. Außerdem gibt es bereits fünf Umweltzonen in Valencia – dort ist die Zufahrt von nicht schadstoffarmen Autos verboten.

„Null-Kilometer-Konzept“: Regionale und saisonale Kost
Ein weiterer Punkt des nachhaltigen Gesamtkonzepts, auf das Valencia setzt, ist die Verarbeitung von regionalen und saisonalen Lebensmitteln. Das „Null-Kilometer-Konzept“ sieht vor, mit minimalen Transportwegen so viele CO2-Emissionen wie möglich einzusparen. Das ist deshalb möglich, weil rings um Valencia auf zahlreichen Feldern Landwirtschaft betrieben wird. Diese etwa 120 km2 große landwirtschaftliche Region wird als La Huerta bezeichnet. Von dort aus werden sowohl die lokalen Märkte und Restaurants als auch ausländische Händler beliefert. Ihr jahrtausendealtes Bewässerungssystem wurde von der UN-Ernährungsorganisation FAO sogar als landwirtschaftliches Welterbe anerkannt, weil es auf besonders sparsame und effektive Weise die Lebensmittel mit Wasser versorgt. Das ist angesichts der 343 Sonnenstunden, die Valencia im Monat durchschnittlich verzeichnet, keine leichte Aufgabe. Auf den Feldern der Huerta wird neben Gemüse, Obst und Wein auch Reis, die Hauptzutat des spanischen Nationalgerichts, der Paella, angebaut.

Da Valencia an der Mittelmeerküste liegt, hat auch der frische Fisch auf den Märkten keinen langen Transportweg. Und es gibt ihn zahlreich in den privaten Küchen und Restaurants der Stadt. Abgerundet wird die städtische Ernährung durch frischen Honig, der aus etwa zwanzig Bienenstöcken kommt, die auf den Dächern öffentlicher Gebäude installiert sind. Die Bienen bestäuben die örtlichen Pflanzen und tragen so zur Artenvielfalt in den Parks bei.
Wirklich alles grün? Aktuelle Herausforderungen
Umweltschützer haben allerdings nicht nur Lob für Valencia übrig, sondern auch zwei zentrale Kritikpunkte. Der erste bezieht sich auf den Hafen Valencias, den die Stadtverwaltung in den kommenden Jahren erweitern will. Zwar soll der Umbau auf nachhaltige Weise geschehen, aber wie genau ein solches Megaprojekt umweltfreundlich umgesetzt werden soll, ist bisher noch unklar. Sowohl die Bauarbeiten als auch der vermehrt aufkommende Tourismus stellen Naturschützern zufolge eine Belastung für die Umwelt dar.

Ebenfalls kritisch beäugt werden die jährlich im März stattfindenden Fallas. Das sind Feiern der Stadtviertel zu Ehren des Schutzheiligen Josef. Bei den Festlichkeiten, die über knapp drei Wochen gehen, wird traditionell Feuerwerk angezündet. In der Nacht zum 20. März werden zudem hunderte Figuren aus Holz und Pappmaché verbrannt. Diese „Nacht des Feuers“ wird als Begrüßung des Frühlings verstanden, stellt aber auch eine enorme – und zudem vermeidbare – Umweltbelastung dar. Die entstehende Luftverschmutzung wird angesichts der Tradition des Fests bisher jedoch von Regierung und Einwohnern in Kauf genommen.