Aufzüge in aller Welt: Der älteste Aufzug der Schweiz
Am Hirschengraben 33b in Luzern befindet sich nicht nur der älteste Personenaufzug der Schweiz. Der Aufzug aus dem Jahr 1912 ist mutmaßlich der älteste Schindler-Aufzug der Welt, der heute noch in Betrieb ist. Nachdem unser Autor Beat Baumgartner in der vergangenen Woche die Geschichte vom "legendären Schindler-Lift Nummer 2" neu erzählte, widmet er sich nun diesem Unikat.
Dass es sich bei seinem Seilaufzug mit Holzkabine um ein wertvolles Objekt der Schweizer Aufzugsgeschichte handelt, wusste der Eigentümer der Jugendstilliegenschaft am Hirschengraben 33b, Werner Lang, schon lange. Aber erst als das Gebäude saniert werden sollte, wurde allen Beteiligten klar, dass dieser Personenaufzug die älteste, noch orginalgetreue Schindler Anlage der Schweiz ist.
Ein stattliches Bürgerhaus
Gebaut hat das repräsentative Wohn- und Geschäftshaus an der Ecke Hirschengraben/Klosterstrasse 1912 der Großvater von Werner Lang, der Zahnarzt Emil Lang. Das Gebäude wurde im Art-Deco-Stil errichtet. Baumeister war Josef Mandrino (1853-1915), die Fassadengestaltung mit ihren schönen Erkern, fein gearbeiteten Fenstern, den Kunststeinzierden und den Balkonen ist das Werk der bekannten Luzerner Architekten Alfred Möri und Karl-Friedrich Krebs.
Das letzte große Werk von Mandrino
Der Kunststeinfabrikant, Bauunternehmer und Architekt Josef Mandrino aus dem italienischen Alessandria war um die Jahrhundertwende in Luzern eine schillernde Figur. Er hat in der Luzerner Neustadt zwischen 1889 und 1912 fast hundert Mehrfamilienhäuser gebaut, meist durchgehende Zeilen von fünf bis sieben Häusern. Er prägte die Quartiere Hirschmatt, Obergrund und Bruch mit seinen im Stile des Historismus gehaltenen Bauten wie kein Zweiter.
Der Hirschengraben 33b und die anschließende Häuserzeile Klosterstrasse 3-9 waren Mandrinos letztes großes Werk. Ein Jahr nach deren Fertigstellung musste er, dem es "an kommerzieller Befähigung" fehlte (so der Nachruf), den Konkurs anmelden. Zwei Jahre später starb er arm und verbittert.
Fahrstühle galten als absoluter Luxus
Die Liegenschaft Hirschengraben 33b hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Ursprünglich baute der Besitzer und "Dentist" Emil Lang im 1. Stock eine moderne Zahnarztpraxis ein. Im Parterre mietete sich die Post ein, um die Bedürfnisse des schnell wachsenden Quartiers abzudecken. Links und rechts davon waren je zwei Quartierläden.
Das fünfstöckige Haus weist alle Merkmale eines repräsentativen Bürgerhauses auf: Großzügige, teilweise mit Stuckdecken verzierte Wohnräume, Bäder – damals noch etwas Außergewöhnliches – und große Fenster. Ein wahres Schmuckstück ist der antike Schindler-Aufzug im Treppenauge des wertvollen und stilechten Treppenhauses.
In der damaligen Zeit hatten in Luzern nur gerade die besseren Hotels oder Geschäftsliegenschaften Aufzüge. Fahrstühle in Wohnliegenschaften galten als absoluter Luxus. So verfügt zum Beispiel keines der von Josef Mandrino zwischen 1902 und 1908 an der Sempacherstrasse 18-32 gebauten, siebenstöckigen Mehrfamilienhäuser über einen Aufzug.
86 Jahre lang ging es hier auf und ab
Der Aufzug im Hirschengraben 33b besteht aus einer wunderschönen Holzkabine mit Scherengitter, Messingtableaus und Glasfenstern mit eingeätzten Jugendstilmustern. Der Aufzug ist gegen das Treppenhaus durch ein teilweise mit Jugendstilmustern verziertes Maschinengitter geschützt.
86 Jahre lang tat die Anlage, immer sorgfältig gewartet und periodisch erneuert, zuverlässig seinen Dienst. Gerne hätte ihn Schindler bereits 1976 ersetzen lassen. Abnutzungserscheinungen und Alterung machten die Wartung zunehmend schwieriger. Das führte zu häufigeren und teureren Reparaturen.
Mit Blick auf eine spätere Gesamtsanierung des Gebäudes wurde dies aber vom damaligen Besitzer abgelehnt. Schließlich musste man 1998 den Aufzug aus Sicherheitsgründen stilllegen.
Aufzug erhalten und verlängern
Acht Jahre später erhielten die Luzerner Architekten Karin und Martin D. Simmen von Werner Lang den Auftrag, das Haus umfassend innen und außen zu sanieren. Dabei sollte der Aufzug möglichst unverändert erhalten, jedoch um ein Stockwerk nach oben verlängert werden. Werner Lang wollte im ehemaligen Bedienstetengeschoss (5. OG) und im Estrich (6. OG) eine attraktive Maisonettewohnung einbauen.
Gleichzeitig sollten auch die Veränderungen im Ladengeschoss aus den Fünfzigerjahren des letzten Jahrhunderts rückgängig gemacht und die Fassade wieder der ursprünglichen Form angeglichen werden. Schließlich stellte die kantonale Denkmalkommission die Gebäudehülle, das Treppenhaus und auch den Aufzug unter Schutz und versprach eine Subvention von 20 Prozent an deren Umbaukosten.
Lange Zeit rangen Architekt und Bauherr um eine optimale Lösung für die Sanierung des Aufzugs. Verschiedene Varianten standen zur Diskussion: Sanierung und Aufstockung mit bestehenden Komponenten, Modernisierung mit Elektro- oder mit Hydraulikantrieb oder Ersatzanlage. Bei der Variantendiskussion spielten verständlicherweise auch die Kosten eine wichtige Rolle.
Schließlich setzte sich die, auch kostenmäßig attraktive, Variante durch, den Seilantrieb durch ein Hydraulikaggregat mit Zentralheber zu ersetzen und durch verschiedenste Zusatzmaßnahmen die Sicherheit des Aufzuges massiv zu erhöhen.
Sanierung des Aufzuges war Maßarbeit
Die Sanierung und Aufstockung der historischen Aufzugsanlage, dazu gehörte auch die fachgerechte Erneuerung der Holzkabine, dauerte rund drei Monate und war äußerst anspruchsvoll: "Es war alles Maßarbeit, wir konnten keine vorfabrizierten Elemente verwenden", betont Geri Grossmann, Verkaufsleiter Modernisierung bei Schindler Luzern. Grossmann ist vom Ergebnis begeistert: "Der Aufzug läuft genial und sieht wunderschön aus."
Auch Architekt Martin D. Simmen ist zufrieden. "Das Treppenhaus mit Aufzug hat sein ursprüngliches Aussehen weitgehend bewahrt, man sieht den Hydraulikstempel kaum." Simmen war ursprünglich skeptisch, "ob der Umbau eines Seil- zu einem Hydraulikaufzug nicht eine Häresie aus denkmalpflegerischen Gesichtspunkten darstellt."
Die Architekten Simmen haben zudem aus den historischen Aufzugskomponenten wie Antrieb, Schalter und Umlenkrolle gleich ein kleines Liftmuseum gestaltet. Es befindet sich in der alten Schachtgrube und ist durch eine Glastüre einsehbar.
Der Autor Beat Baumgartner ist Kommunikationsverantwortlicher von Schindler in der Schweiz.
Die Fotos sind von Albert Zimmermann. Soweit zu den Credits und jetzt bitte einsteigen:
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