Unterirdische Städte: Die 5 erstaunlichsten Welten unter der Erde
Unterirdische Stadtstrukturen hat es immer schon gegeben. Sie schützten die Bewohner vor Angriffen, halten Kälte oder Hitze fern und bieten zusätzliche Baufläche für Wohnraum in den verdichteten Metropolen. Wir zeigen Beispiele aus verschiedenen Ländern und Zeiten.
18 Etagen tief: Die antike Höhlenstadt Derinkuyu in Kappadokien (Türkei) ist seit 1986 UNESCO-Weltkulturerbe
Der Mann wollte eigentlich nur sein Haus renovieren. Beim Versuch, in seinem Keller eine Wand einzureißen, stand er plötzlich vor einem gigantischen Tunnelsystem, das zu einer unterirdischen Stadt gehörte. So geschehen vor knapp 60 Jahren im türkischen Kappadokien.
Inzwischen weiß man von rund 200 antiken Höhlenstädten mit mehr als 1.000 Kirchen in der von weichem, vulkanischem Tuffstein geprägten Region. Die meisten dieser Wohnhöhlen reichen bis ins 8. Jahrhundert vor Christus zurück. Die größte Höhlenstadt in Zentralanatolien ist Derinkuyu, ein 18 Etagen in die Tiefe gebautes Labyrinth. Ausgestattet mit Lüftungssystemen, einem Gefängnis, Weinkellern, Küchen, Wohn- und Schlafräumen sowie Brunnen bot sie Platz für mehr als 20.000 Menschen.
Bis heute ist unklar, wie und warum diese Stadt überhaupt entstanden ist. Einige Altertumsforscher gehen davon aus, dass Derinkuyu, was soviel wie „tiefe Brunnen“ bedeutet, vor 4.000 Jahren von den Hethitern gegründet worden war. Möglicherweise diente die Brunnenstadt aber auch verfolgten Christen als Unterschlupf. Seit 1965 können Touristen diese Stadt im Nationalpark Göreme besichtigen.
La Ville Souterrain – in dieser Untergrundstadt in Montreal schützen sich die Kanadier vor extremen Minustemperaturen
Kanadische Winter sind extrem – das erklärt womöglich die Affinität der Kanadier zu unterirdischen Stadtvierteln. In Toronto befindet sich ein Tunnelsystem von 30 Kilometern, mit mehreren hundert Geschäften und Restaurants. Getoppt wird das Projekt von der Underground City oder auch Ville Souterrain genannten, einer unterirdischen Stadtlandschaft in Montreal. Einheimische nennen sie schlicht „Le Réso“, was sich vom französischen Wort „réseau“ ableitet und „Netzwerk“ bedeutet.
Im Jahr 1962 nahm die Unterwelt ihren Anfang mit einem Einkaufszentrum unter dem Wolkenkratzer am zentralen Place Ville-Marie. Als die Stadt zur Weltausstellung 1967 ihre U-Bahnlinie erhielt, nahm das Projekt Fahrt auf. Nach und nach suchten immer mehr Hochhäuser einen Anschluss an die Untergrundstadt. Inzwischen erstreckt sich unter der Innenstadt von Montreal ein 32 Kilometer langes Tunnelsystem mit Shoppingmalls, Veranstaltungsorten und „Food Courts“.
Besonders charmant ist die Underground City sicher nicht, mit ihrer gesichtslosen Architektur und den Einkaufsketten. Von den Bewohnern und Büroarbeitern, die sich auf der Flucht vor den strengen Wintern in Scharen zum Shoppen und für ihre Mittagspausen nach unten begeben, wird sie jedoch dankbar angenommen.
Unterirdische Höhlenstadt Coober Pedy – auf der Flucht vor der Hitze in der australischen Wüste
Nicht rennen! Gehen Sie nicht rückwärts! Vorsicht, unmarkierte Löcher! – In Coober Pedy stoßen Besucher immer wieder auf solche Schilder. Coober Pedy ist eine Mondlandschaft am Ende der Welt, ein trostloser Ort, irgendwo zwischen Adelaide (846 km) und dem Ayers Rock (730 km).
Wäre dort vor gut 100 Jahren nicht der erste Opal gefunden worden, gäbe es Coober Pedy gar nicht. Der Name leitet sich von „kupa piti“ oder „guba bidi“ ab, was in der Sprache der Ureinwohner so viel bedeutet wie „weißes Loch im Boden“ oder „weißes Männerloch“. Tatsächlich wohnen dort etwa 1.800 Menschen aus den verschiedensten Ländern unter Tage – aus gutem Grund: Während man oben bei 50 Grad Celsius im Schatten leidet, lebt es sich in der unterirdischen Höhlenstadt, wo das Thermometer nie über moderate 24 Grad steigt, recht angenehm.
In Coober Pedy gibt es Wohnungen, Geschäfte, Kirchen, Restaurants und Bars – also alles, was man zum täglichen Leben braucht. Die Stadt wächst immer noch: Rund 70 Prozent der Edelsteine weltweit werden hier gefördert, Coober Pedy ist mit 70 Abbaufeldern auf 5.000 Quadratkilometern „Opalhauptstadt der Welt“. Nicht nur für Glückssucher, sondern auch für Touristen ist die Wüstenstadt, in der Hollywoodfilme wie „Mad Max III“, „Priscilla“ oder Wim Wenders‘ „Bis ans Ende der Welt“ gedreht wurden, interessant: Rund 150.000 Besucher schlagen dort jährlich auf dem unterirdischen Campingplatz ihre Zelte auf oder nächtigen in einem der Höhlenhotels. Und vielleicht, so mögen einige hoffen, finden sie dabei sogar einen Edelstein.
Nuclear City: Dixià Chéng in Peking wurde als Bunkerstadt gebaut – inzwischen leben dort rund 1 Million Menschen
In den 1970er-Jahren ließ Mao Zedong in Peking Dixià Chéng bauen. Das 85 Quadratkilometer große System aus Tunneln und Bunkern sollte im Falle eines Nuklearkriegs mit Russland sechs Millionen Menschen Schutz bieten. Es beherbergt Schulen, Geschäfte, Friseure, Restaurants, Speicher – schlicht alles, was eine städtische Struktur ausmacht. Zum dauerhaften Wohnen waren die Räume dennoch nicht gedacht.
Der Atomkrieg blieb aus, nach Chinas wirtschaftlicher Öffnung ist Peking gewachsen. Inzwischen leben rund 21 Millionen Einwohner in der chinesischen Metropole, Wohnraum für die arme Bevölkerung wird immer knapper. Also gab das Verteidigungsministerium die Schutzkammern in die Hände von privaten Vermietern, die sie an Wanderarbeiter, Glückssucher und Studenten weitervermieteten. Inzwischen bietet die „Nuclear City“, wie Dixià Chéng auch genannt wird, rund einer Million Menschen ein Dach überm Kopf. Fremde sind dort verboten, die Eingänge werden streng bewacht.
65 Stockwerke tief: BNKR Arquitectura planen in Mexiko-Stadt einen unterirdischen, umgedrehten Wolkenkratzer
Die Stadt bietet Infrastruktur, Gemeinschaft und macht aus ökologischer Sicht Sinn. Zukunftsforscher gehen davon aus, dass 2050 zwei von drei Menschen in Städten wohnen werden. Die Innenstädte werden folglich immer dichter bebaut, die Außenbezirke fressen sich ins Umland. Es ist also eine logische Konsequenz, Städte in die Erde wachsen zu lassen.
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Im Jahr 2009 hat das Architekturbüro „BNKR Arquitectura“ für Mexiko-Stadt eine umgekehrte Pyramide entworfen: einen „Earthscraper“ unter dem großen Zocalo Platz im historischen Zentrum der Stadt.
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Das 300 Meter tiefe Gebäude der BNRK-Architekten sollte auf 65 Stockwerken neben Wohnungen, Büros, Restaurants und Geschäften auch ein Museum und ein Theater unterbringen. Für natürliches Licht hätte ein zentraler, mit einem schweren Glasdeckel abgeschlossener Hohlraum gesorgt. Das Projekt scheiterte nicht zuletzt an den Kosten von rund 800 Millionen US-Dollar. Ob es jemals gebaut wird? Auf der Website der Architekten ist zumindest noch immer die Planung zu bewundern.