Revolution auf der Baustelle: Das Haus aus dem 3D-Drucker
In Deutschland entstehen die ersten Wohnhäuser aus dem 3D-Drucker. Schicht für Schicht werden sie aus Beton gedruckt. Was noch nach Science-Fiction klingt, soll in Zukunft die ganze Baubranche umkrempeln.
3D-Drucker sind längst keine Spielerei für Technik-Freaks mehr: Ihre Einsatzgebiete sind zahlreich – und es werden immer mehr. So drucken die computergesteuerten Geräte nicht nur Spielfiguren, Geschirr oder technische Prototypen, sondern mittlerweile auch ganze Wohnhäuser. In Deutschland steht das erste seiner Art seit Juli vergangenen Jahres in Nordrhein-Westfalen, genauer gesagt in dem Städtchen Beckum. Längst wurde das Einfamilienhaus aus dem 3D-Drucker hier zu einer neuen Attraktion. Mit seinen abgerundeten Ecken und den erkennbar gedruckten Linien an den Wänden sticht das Beton-Haus hervor wie kein anderes Gebäude.
So sieht das erste deutsche Haus aus dem 3D-Drucker aus
Das 160 Quadratmeter große Haus hat zwei Stockwerke, in denen drei Bäder, ein offener Wohnraum mit Essbereich, ein Kamin und drei Schlafzimmer Platz finden. Auch innen sind die vielen Rillen an den Wänden, die der 3D-Drucker hinterlassen hat, nicht zu übersehen. Passend zur futuristischen Optik ist das Haus mit modernster Smart-Home-Technik ausgestattet. Draußen auf der Terrasse warten noch zwei weitere Attraktionen – aus Beton gedruckte Sonnenliegen. Ihr einziges Manko: Jede Liege wiegt rund 600 Kilogramm, sie einfach mal schnell umzustellen, geht also nicht.
Verantwortlich für das Pilot-Projekt war das Planungsbüro Mense-Korte und die bayerische Firma Peri, die den Betondruck übernahm. Das besondere Gebäude, das mit dem German Innovation Award 2021 ausgezeichnet wurde, ist noch unbewohnt. Es steht derzeit für Besichtigungen offen und wird für Forschungszwecke genutzt. Schon bald soll es aber zu einem richtigen Zuhause werden. Anfang 2023 wird die 26-jährige Lisa-Marie Hanhues einziehen und sich den Traum von einem Eigenheim der etwas anderen Art erfüllen. Währenddessen hat die Firma Peri sich keineswegs auf ihren Lorbeeren ausgeruht. Noch im vergangenen Jahr wurde gleich das zweite Projekt aus dem 3D-Drucker realisiert – ein Mehrfamilienhaus im bayerischen Weißenhorn.
Wie funktioniert der Hausbau mit dem 3D-Drucker?
Bei der Bauweise gibt es zwei grundlegende Möglichkeiten: Der Druck kann entweder direkt auf der Baustelle erfolgen. Alternativ werden die Betonwände zunächst in einer Fabrikhalle gedruckt, anschließend auf die Baustelle geliefert und dort zusammengesetzt.
Wie bei 3D-Druckern üblich, wird der ganze Prozess von einem Computer gesteuert. Zunächst wird der 3D-Drucker an einem Gerüst befestigt. Dann trägt eine Düse des Druckerarms den Beton auf einer vorhandenen Betonplatte Linie für Linie auf. Dabei wird ein speziell angefertigter Flüssigbeton verwendet. Schicht für Schicht werden so die Betonwände hochgezogen. Bodenplatten, Decken und Dach müssen separat eingebaut werden. Und auch die Dämmung, Fenster, Türöffnungen, Anschlüsse und Leitungen werden nicht mitgedruckt. Die Wände werden aber oft so gebaut, dass es Hohlräume gibt, die mit Dämmmaterial gefüllt werden können.
Wie das Haus in Beckum zeigt, stellt es kein Problem dar, ein Haus mit mehreren Stockwerken zu drucken. Dabei wird erst ein Stockwerk abgeschlossen. Anschließend wird darauf eine Zwischengeschossplatte aus einem Fertigbetonteil gelegt, worauf das nächste Geschoss gedruckt werden kann. Für das Haus in Beckum wurde der 3D-Drucker „BOD2“ verwendet, der von nur zwei Personen bedient werden muss. Momentan ist der Bau mit ihm auf Gebäude mit einer Breite von maximal 14,6 Metern und einer Höhe von maximal 9 Metern beschränkt. An und für sich können aber die Größe des Hauses sowie die Anzahl der Etagen und die Raumaufteilung flexibel gestaltet werden.
Wie lange dauert der Bau mit dem 3D-Drucker?
Die Fertigstellung des Hauses in Beckum dauerte insgesamt acht Monate. Das Drucken selbst nahm aber nur etwas mehr als vier Tage in Anspruch. Der Drucker schafft einen Quadratmeter in fünf Minuten. In Zukunft soll diese Art des Bauens aber sehr viel schneller werden als herkömmliche Bauweisen.
Welche Baustile sind mit einem 3D-Drucker möglich?
Es gibt bisher zwei verschiedene Varianten des Baus mit dem 3D-Drucker. Bei der ersten dreht sich der Druckkopf in Kreisen um eine Achse herum. Daraus entstehen meist Häuser mit einem kreisförmigen Grundriss. Bei der zweiten Variante wird der Druckkopf an zwei Achsen befestigt. Hier sind alle Wandverläufe und Formen möglich, allerdings ist es deutlich aufwändiger, einen 3D-Drucker mit zwei Achsen statt nur einer aufzubauen. Auch die typische Optik mit den erkennbaren gedruckten Linien kann vermieden werden, indem man die Betonwände streicht, verputzt oder mit Holz verkleidet. Es ist auch möglich, den Druckprozess so anzupassen, dass keine einzelnen Schichten mehr sichtbar sind.
Wie teuer ist das Haus aus dem 3D-Drucker?
Der Preis für das Einfamilienhaus in Beckum inklusive Smart-Home-Technik liegt bei circa 450.000 Euro. Doch bisher gibt es keine verlässlichen Zahlen zu den Kosten von Häusern aus dem 3D-Drucker, weil die Technologie noch zu jung ist. Es müssen erst weitere Projekte durchgeführt werden, um einen besseren Kosten-Überblick bekommen zu können. Preislich liegen die Einfamilienhäuser aber noch um 10 bis 15 Prozent über den herkömmlichen Varianten. Doch schon in vier bis fünf Jahren soll die Bauweise kostengünstiger werden als die von normalen Häuser.
Warum könnte ein Haus aus dem 3D-Drucker die Baubranche revoltieren?
Das Bauen mit dem 3D-Drucker bringt viel Gestaltungsfreiheit für Architekten mit sich. Die Technologie macht es möglich, außergewöhnliche Formen wie etwa Rundungen mit weniger Aufwand und kostengünstiger zu bauen. Auch wird weniger Personal benötigt, was dem Fachkräftemangel auf dem Bau entgegenwirkt.
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Ein weiterer wichtiger Aspekt, der für das Bauen mit dem 3D-Drucker spricht, ist ökologischer Natur. Denn wenn das Haus aus dem 3D-Drucker irgendwann nicht mehr gebraucht wird, kann es einfach wieder abgesaugt und neuverbaut werden.
Bis der Bau mit dem 3D-Drucker etabliert ist, werden allerdings noch ein paar Jahre ins Land ziehen. Momentan bieten nur wenige Firmen diese Art des Hausbaus an. Auch kann der Spezialbeton, der Zement enthält, noch nicht als ökologisch bezeichnet werden. Forscher sind aber bereits eifrig dabei, das Druckverfahren und den Beton zu verbessern, um den Prozess effizienter und umweltfreundlicher zu gestalten. Es gilt, Zement durch ökologischere Materialien zu ersetzen. Dann könnte die Vision, schneller, kostengünstiger und zugleich ökologischer zu bauen, bald Wirklichkeit werden.