Krieg der Knöpfe: Ist die Tür-Zu-Taste nur Fake?
Wir steigen in den Aufzug und drücken den Knopf, um die Türen zu schließen. Aber nichts passiert! Vielleicht, so die naheliegende Vermutung, funktioniert der Knopf einfach nicht. Vielleicht, so reift in uns der Verdacht, funktionieren die Knöpfe, um die Türen zu schließen, allesamt nicht. Vielleicht sind sie nur Placebo-Knöpfe. Zeit, einem Mythos auf den Grund zu gehen.
Der Mensch drückt gern Knöpfe. Stelle jemanden allein in einen Raum und gib ihm einen Knopf: Er wird ihn irgendwann betätigen. Knöpfe sind zum Drücken da. Das könnte der Grund dafür sein, dass man Knöpfe ohne Funktionen installiert. Der Knopf gibt uns das Gefühl in der Kontrolle zu sein, eine Situation verändern zu können, nicht hilflos zusehen zu müssen. So ist es auch kein Wunder, dass sich der Mythos von den sogenannten Placebo-Knöpfen so lange hält.
Der Mythos vom Placebo-Knopf
Insbesondere die Taste, mit der sich die Aufzugstüren schließen lassen sollen, steht seit Langem im Verdacht, ihrer Aufgabe gar nicht nachkommen zu können. Sie sei eine Placebo-Taste, lautet der gängige Vorwurf. Ähnlich den namensgebenden Medikament ohne Wirkstoff soll der Knopf mit den beiden aufeinander gerichteten Pfeilspitzen gar keine Funktion haben, außer dem Nutzer zu suggerieren, dass er eine habe.
Was ist nun dran am Mythos vom Placebo-Knopf im Aufzug? Stimmt's, dass die Türschließtaster mehr Schein als Sein sind? Eine Antwort auf diese Frage, hängt wie immer davon ab, wer sie stellt. Oder in diesem Fall noch entscheidender, wo er dabei steht.
In Deutschland ist die Sache ganz klar: Die Taste zum Türschließen ist, wenn sie vorhanden ist, immer funktionsfähig und keinesfalls nur ein Placebo. In den USA, so mussten wir jüngst in der New York Times lesen, verhält es sich genau anders herum: Die meisten Türschließknöpfe sind hier Placebos. Das bestätigen auch die Recherchen des Senkrechtstarter-Blogs.
Türschließknöpfe ohne Funktion
Der Grund für die funktionslosen Knöpfe ist der 1990 in Kraft getretene "Americans with Disabilities Act". So zumindest diktierte es Karen W. Penafiel, Vorsitzende des Branchenverbands National Elevator Industry Inc., der NYT in den Block.
In dieser Norm, die Menschen mit Behinderungen vor Diskriminierung schützen soll, ist festgeschrieben, dass Aufzugstüren lange genug geöffnet sein müssen, damit auch Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigungen den Weg vom Rufknopf auf der Etage bis in die Kabine bewältigen können. Entsprechend muss eine Mindestoffenhaltezeit festgelegt und bei der automatischen Türschließung berücksichtigt werden.
Dieses Gesetz hätte nun, so die Branchenkennerin, dazu geführt, dass der Türschließknopf seine Funktion verlor. Denn auch den anderen Aufzugnutzern sollte es nicht ermöglicht werden, die Türen schneller zu schließen.
Daher wurden seit 1990 bei neuen Aufzügen und Modernisierungen die Türschließtasten nicht mehr aktiviert. Bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 25 Jahren pro Aufzug ist davon auszugehen, dass die meisten Aufzüge in den USA mittlerweile wohl nur eine funktionslose Tür-Zu-Taste aufweisen - sofern sie überhaupt eine haben.
Die Tür-Zu-Taste ist keine Pflicht
Wie ist die Situation hierzulande? Erstaunlicherweise in der Gesetzeslage den USA ganz ähnlich, faktisch das abolute Gegenteil. Es gibt keine Vorschrift, die eine Taste zum Schließen der Fahrkorbtür fordert - weder in nationalen noch in europäischen Vorschriften, die für das Inverkehrbringen von Aufzügen gelten. Diese Taste ist eine reine Option, die den Bedienkomfort des Aufzugs erhöht. Im Gegensatz zum "Türöffnungsknopf": Die Taste, mit der sich die gerade schließende Fahrkorbtür wieder öffnen lässt, ist vorgeschrieben und muss vorhanden sein!
Doch selbst in neueren Aufzügen ist der Türschließknopf nach wie vor nicht standardmäßig, sondern nur auf Kundenwunsch vorhanden. Viele Aufzugshersteller wie Schindler liefern diesen Taste jedoch in den gängigen Aufzugsmodellen mit aus. So kommt es, dass bei neueren Aufzügen diese Taste immer häufiger zu finden ist.
In Deutschland kein Placebo
Die Taste zum Türschließen ist in Deutschland, wenn sie vorhanden ist, immer funktionsfähig und keinesfalls nur ein Placebo. Die Funktionsfähigkeit sollte auch im Rahmen von Wartung und regelmäßigen Kontrollen überprüft werden. Diese Taste ist zum Beispiel bei sogenannten Feuerwehraufzügen - das sind Aufzüge, die im Brandfall weiter betrieben und von der Feuerwehr benutzt werden - explizit vorgeschrieben.
Die Feuerwehr muss nämlich die Möglichkeit haben, die Aufzugstüren sofort wieder schließen zu können, wenn ein Brand unmittelbar vor der Tür der angefahrenen Etage festgestellt wird. Selbst bei Aufzügen, die behindertengerecht nach Europanorm EN 81-70 ausgerüstet sind, ist eine Türschließtaste optional auf dem Fahrkorbtableau zulässig. Wobei die Norm lediglich ein bestimmtes Symbol, mit dem die Taste gekennzeichnet sein muss, vorschreibt, sonst aber keine weiteren Anforderungen an diese Taste stellt.
Türschließknöpfe in behindertengerechten Aufzügen
Überhaupt ist das Argument, den Türschließknopf zu deaktivieren, um Menschen mit Behinderungen zu schützen, nicht wirklich plausibel. Wie bereits erwähnt soll diese Taste vor allem das Aufzugfahren komfortabler machen, indem sie den Nutzern ermöglicht, Wartezeiten zu verkürzen. Normalerweise läuft eine bestimmte Zeit nach dem Öffnen der Fahrkorbtür ab, bevor sie automatisch wieder schließt.
Diese Zeit muss bei behindertengerechten Aufzügen länger sein als bei normalen Aufzügen, damit Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigungen genügend Zeit haben, in den Fahrkorb zu gelangen. Aber es spricht doch nichts dagegen, dass beispielsweise auch ein Rollstuhlfahrer, der sich bereits im Fahrkorb befindet, diesen Komfort nutzt, indem er das Türschließen quasi beschleunigt.
Wenn aber ein anderer Benutzer im Fahrkorb diese Taste betätigt, weil er den herannahenden Rollstuhlfahrer nicht gesehen hat, besteht keinerlei Verletzungsrisiko. Gemäß der neuesten Europanorm EN 81-20 müssen automatische Aufzugstüren generell mit einem sogenannten Lichtvorhang ausgestattet sein, der Hindernisse im gesamten Bereich der Fahrkorbtür berührungslos erkennt.
Zudem müssen Aufzüge eine mechanische Einrichtung haben, die die Fahrkorbtür umsteuert (wieder öffnet), wenn sie auf ein Hindernis trifft. Dies mag der Grund sein, warum in Deutschhland bisher noch keine Diskussion seitens der Behindertenverbände um den Sinn und Zweck eines Türschließknopfes in Aufzugskabinen aufgekommen ist.
Nicht zu früh die Taste drücken
Bleibt noch die Frage, wieso auch in Deutschland immer wieder viele Leute das Gefühl haben, dass die Türschließknöpfe nicht funktionieren. In den meisten Fällen dürfte das eine Einstellungsfrage sein. Nicht eine der Aufzugsnutzer, sondern eine der Aufzugssteuerung. Der Türschließknopf wird beispielsweise von der Steuerung ignoriert, wenn die Tür sich gerade öffnet. Selbst wenn die Tür - für den Betrachter - den Öffnungsprozeß bereits abgeschlossen hat, kann es sein, dass das Signal an die Steuerung, dass die Tür geöffnet ist, verzögert erfolgt.
Drückt man zu früh, passiert folglich nichts. Bei modernen Steuerungen lässt sich auch einstellen, dass der Türschließbefehl sofort oder mit Verzögerung nach Betätigung des Türschließknopfes erfolgt. Es können "Mindestoffenhaltezeiten" der Türen definiert werden, so dass sich die Türen erst nach Ablauf einer bestimmten Zeit schließen lassen.
Zudem wird natürlich wie oben beschrieben der Befehl nicht ausgeführt, wenn beispielsweise das Lichtgitter ein Hindernis meldet. Kurz gesagt: Wenn sich die Türen nicht schließen, nachdem man die Tür-Zu-Taste gedrückt hat, bedeutet das nicht, dass die Taste nicht funktioniert. Es bedeutet erst recht nicht, dass diese Tasten prinzipiell nicht funktionieren. Zumindest nicht in Deutschland.
Autoren: Manfred Diekmann und Jan Steeger