Großstadtdschungel: Warum Papageien Köln und andere Metropolen besiedeln
Exotik liegt in der Luft: Neben Amsel, Taube und Kohlmeise flattert längst auch der grün gefiederte Halsbandsittich durch unsere Großstädte – und er ist nicht der einzige Tropenvogel. Dafür, dass Papageien Köln und Co. als neues Zuhause auserkoren haben, ist vor allem der Mensch verantwortlich.
Wer früh morgens an der Rheinpromenade in Köln joggen geht, erlebt mitunter ein bizarres Schauspiel: Ein schrilles Handyklingeln reicht und hunderte Vögel steigen empor – aufgescheucht aus den Bäumen am Flussufer. Nicht ungewöhnlich für eine Großstadt, möchte man meinen. Allerdings sehen die Tauben in der Domstadt irgendwie anders aus.
Grüne Federn und ein roter Schnabel charakterisieren diesen etwas anderen Stadtvogel, der eigentlich Halsbandsittich heißt. 3.000 Exemplare dieser Papageienart leben in Köln. Auch in Düsseldorf, Wiesbaden und vielen anderen Städten entlang des Rheins gibt es größere Populationen. Insgesamt 20.000 der exotischen Tiere machen es sich laut Biologen in der Region mittlerweile heimelig.
Kölner Papageien kommen eigentlich aus Indien
Der Halsbandsittich gilt als die am weitesten verbreitete Papageienart der Welt. Die bunten Vögel leben also nicht nur im Rheingebiet, sondern auch in Nord- und Südamerika, in Afrika und in Asien. Die ursprüngliche Heimat des asiatischen Halsbandsittichs, der sich in Köln angesiedelt hat, ist Indien. Dass er sich von dort aus so gut verbreiten konnte, liegt an seiner Widerstandsfähigkeit. Diese zeigt sich auch daran, dass Kölns Papageienbestand selbst im Winter nicht gen Süden zieht – anders als man es von der eigentlich Warmwetter-verwöhnten Art erwarten würde.
Den weiten Weg nach Deutschland hat der Halsbandsittich aber nicht allein angetreten. Wie kaum anders zu erwarten, hat der Mensch seine Finger im Spiel: In den Sechzigerjahren wurden Papageien in Deutschland als Haustiere immer beliebter. Es herrschte ein regelrechter Hype um die tropischen Vögel. Doch die Käfige in den Küchen dieses Landes reichten manchen von ihnen als neues Zuhause scheinbar nicht aus. Ob sie ausbüxten oder frei gelassen wurden, weiß man nicht mit Sicherheit. Fest steht aber, dass sie zum Ende desselben Jahrzehnts anfingen, auch in freier Wildbahn zu brüten.
Papageien erobern die Städte dieser Welt
Die Papageien in Köln und den Städten am Rhein sind kein Einzelfall. Halsbandsittiche brüten in ganz Europa. Überall gibt es Kolonien, unter anderem in Paris, Brüssel und Barcelona. In Nordamerika ist es vor allem der Mönchssittich, der die Metropolen besiedelt. Er brütet zum Beispiel in New York City, Chicago und Los Angeles. Auch weniger verbreitete Arten findet man urbanen Gebieten. Auf dem Stuttgarter Wilhelmsplatz zum Beispiel lebt eine 60-köpfige Population von Gelbkopfamazonen. Die Kolonie ist die einzige ihrer Art in Europa und entwickelte sich seit den Achtzigerjahren, als zwei unabhängig voneinander freigelassene Exemplare gemeinsam ihr Glück fanden.
Urbanisierung im Vogelreich
Ebenso wie der Halsbandsittich sind auch die Gelbkopfamazone und der Mönchssittich als Haustiere in ihre neuen Lebensräume gelangt und haben sich dort ihren Weg in die Freiheit gebahnt. Sie sind damit sogenannte Neozoen – also Tiere, die sich mit menschlicher Hilfe verbreitet haben. Ein bekanntes Beispiel für Neozoen außerhalb des Vogelreichs ist der Waschbär, dessen Population in Deutschland heute bei weit über 1 Million liegt. Ursprünglich kommt er aus Nordamerika und wurde erst in den Zwanzigerjahren für die Pelzzucht nach Deutschland eingeführt.
Gemeinsam haben viele Neozoen, dass sie sich an ihre neuen Siedlungsgebiete viel besser anpassen, als man erwarten würde. Eines der Erfolgsgeheimnisse bei vielen Papageienarten vermutet man im Schnabel. Der Halsbandsittich etwa hat einen kräftigen, krummen Schnabel, mit dem er auch Nüsse knacken kann – und Nüsse lassen sich in deutschen Städten auch im Winter noch finden. Außerdem ernähren sich die Papageien in Köln und anderen Städten von exotischen Pflanzenarten, die im Laufe der Zeit ebenso nach Deutschland importiert wurden und auch im Winter noch Früchte tragen.
Dass die Vögel sich vor allem im urbanen Raum niederlassen, liegt wohl weniger an der Infrastruktur als viel mehr an den etwas höheren Temperaturen in den Städten gegenüber ländlichen Gebieten. Zwar ertragen sie Minusgrade, zu kalt sollte es jedoch nicht werden. Die ein oder andere Erfrierung an den Krallen nehmen die Papageien in Stuttgart aber wohl gerne in Kauf, wenn man bedenkt, dass sich die Population vor Ort relativ stabil hält, während Gelbkopfamazonen in ihrer mittelamerikanischen Heimat vom Aussterben bedroht sind.
Papageien als invasive Arten
Als Bedrohung werden die Neuankömmlinge hierzulande noch nicht wahrgenommen. Anderenorts ist die Lage schon kritischer: In Sevilla verdrängt der Halsbandsittich Fledermäuse aus Baumhöhlen und in Großbritannien andere Vögel von Futterplätzen. Rund um Barcelona sorgen Mönchssittiche in der Landwirtschaft für Ernteeinbußen von bis zu über 30 Prozent. Und auch im direkten Zusammenleben mit dem Menschen kommt es immer wieder zu Problemen – sei es aufgrund von Lärm, Kotverschmutzungen oder der Tatsache, dass manche Papageienarten mit ihrem Nestbau die Infrastruktur stören. Wie sich die Verbreitung von Papageien in Köln und anderen Großstädten weltweit entwickelt, bleibt abzuwarten. Fest steht: Wer sich in seinem neuen Zuhause so wohl fühlt, wird wohl nur ungern wieder ausziehen.