Eine Ode an die Säule
Ihre Wurzeln reichen bis in die Antike zurück – und auch heute spielt die Säule in der Architektur zwar eine ganz andere, aber dennoch wichtige Rolle. Eine kleine Kulturgeschichte
Die Ursprünge der Säule
Schon in der Antike spielten Säulen eine – Verzeihung – tragende Rolle. Tatsächlich lassen sich Säulen bis ins ins 7. Jahrhundert v. Chr. zurückverfolgen. Ursprünglich dienten sie als tragende Bauelemente für Tempel und öffentliche Gebäude im antiken Griechenland. Die Griechen liebten ihre Säulen – und wer schon mal einen hellenischen Tempel wie etwa die weltberühmte Akropolis in Athen besucht hat, weiß auch, dass sie nie nur statische Funktionen erfüllten, sondern seit jeher ein Symbol für Macht und Reichtum waren. Das drückte sich vor allem in ihrer zweiten Funktion als ästhetisches Element aus, das im Lauf der Antike immer raffinierter wurde und sich schließlich in den fünf Säulenordnungen manifestierte.
Die fünf Säulenordnungen
Dorisch, ionisch, korinthisch... klingelt da noch was? Richtig, im Lauf ihrer Geschichte wurde die Säule verschiedensten Formensprachen unterworfen. Heute gliedert man die verschiedenen Stile zur besseren Strukturierung in Säulenordnungen. Es existieren zwar weit mehr als fünf, doch wollen wir uns hier auf die bekanntesten Säulenordnungen aus dem antiken Griechenland sowie dem Römischen Reich beschränken. Vorab müssen wir allerdings einen kurzen Blick auf den klassischen Aufbau der Säule werfen. Sie besteht in der Regel, von unten nach oben betrachtet, aus drei Teilen:
Basis: eine (oftmals quadratische) Platte, die die Last der Säule auf eine größere Grundfläche verteilt.
Schaft: der Hauptbestandteil der Säule an sich.
Kapitell: der Kopf der Säule, der an die auf der Säule ruhenden Gebäudebestandteile anschließt.
Griechische Säulenordnungen
Dorische Ordnung: Säulen der dorischen Ordnung gehören zu den ältesten dokumentierten Vertretern ihrer Art. Sie zeichneten sich durch eine strenge, abstrakte Formensprache und wenig Verzierungen aus.
Ionische Ordnung: Im 6. Jahrhundert v. Chr. bildete sich im antiken Griechenland die ionische Säulenordnung heraus. Ihre Vertreter waren im Gegensatz zur dorischen Ordnung weitaus wandelfähiger. Besonders charakteristisch waren spiralförmige Einrollungen am Kapitell, die sogenannten Voluten (siehe Abbildung).
Korinthische Ordnung: Noch deutlich verspielter als die ionische Ordnung kamen Säulen der korinthischen Ordnung daher, die erstmals im 4. Jahrhundert v. Chr. auftraten. Ihr Kapitell setzt sich neben den bekannten Voluten aus stilisierten Blättern zusammen, die entlang des Säulenkopfes „emporwachsen“.
Römische Säulenordnungen
Toskanische Ordnung: Bei den Römern fand die Säule zunächst wieder zu ihren schlichten Ursprüngen zurück. Die toskanische Ordnung war eine Vereinfachung der ohnehin eher puristischen dorischen Ordnung, die sich durch besonders schlichte Kapitelle und insbesondere durch ein Fehlen von Kanneluren (Rillen) am Schaft auszeichnete.
Komposite Ordnung: Später jedoch wurden auch römische Säulen wieder extravagant: Die komposite Ordnung kombinierte Merkmale der ionischen und korinthischen Ordnung – das Beste aus beiden Welten sozusagen. Obwohl von den Römern erdacht, schaffte diese Säulenform allerdings erst in der Rennessaince ihren Durchbruch.
Säulen finden sich in allen Epochen und Kulturen wieder
Im Lauf der Geschichte avancierte die Säule vergleichsweise schnell zu einem essenziellen Element der Architektur und wurde auch von anderen Kulturen übernommen und angepasst. Im Mittelalter etwa fand die Säule ihren Platz als tragendes Element in Kirchen und Kathedralen, wobei neue Säulentypen wie die gotischen Spitzbogensäulen entstanden. In der Renaissance wiederum wurden Säulen verwendet, um Symmetrie und Proportionen zu betonen. Im Barock dagegen wurden Säulen oft mit Skulpturen und anderen dekorativen Elementen kombiniert. Im 19. Jahrhundert erlebte die Säule eine Renaissance im Klassizismus und wurde in öffentlichen Gebäuden wie Bibliotheken und Regierungsgebäuden verwendet.
Auch fernab der „westlichen“ Welt hielt die Säule Einzug in Pracht- wie Funktionsbauten. Ein Beispiel aus Indien sind die aufwändig gedrechselten Säulen aus der Hoysala-Architektur.
Und heute?
Dank moderner Bautechniken haben Säulen ihre statischen Funktionen mittlerweile weitgehend eingebüßt. Oftmals werden nicht tragende Säulen aus rein ästhetischen Gründen eingesetzt. Viele dieser dekorativen Säulen sind heutzutage hohl, um Material und Gewicht einzusparen.
Freistehende Gedenksäulen
Und auch als freistehende Monumente machen Säulen sich gut. Gedenksäulen erreichen beeindruckende Höhen und erinnern an vergangene Schlachten, Heldentaten oder auch Katastrophen. Bekanntestes Beispiel aus Deutschland dürfte die Berliner Siegessäule mit ihrer goldenen Viktoriastatue (auch bekannt als „Goldelse“) sein, die an die Deutschen Einigungskriege von 1864-1871 erinnert.
Je nach Definition wird hingegen das knapp 62 Meter hohe „Monument“ in London als größte freitstehende Steinsäule der Welt gehandelt. Das Denkmal erinnert an den großen Stadtbrand von 1666, der damals vier Fünftel der britischen Hauptstadt dem Erdboden gleichmachte.
Äußerst plakativ: Die Litfaß-Säule
Andere Säulen taugen weder als Tragwerk noch als Denkmal oder Dekoration, sondern erfüllen ganz triviale Aufgaben. Wer kennt sie nicht, die bunt beklebten Zylinder, die bis heute in fast jeder Ortschaft zu finden sind? Klar, die Rede ist von der Litfaßsäule, einer Erfindung aus Berlin.
Mitte des 19. Jahrhunderts wurde sie vom Berliner Drucker Ernst Litfaß erdacht, der ihr auch ihren Namen einbrachte. Ziel war es, der damals ausufernden Wildplakatierung in der Großstadt Herr zu werden. Mit der Litfaßsäule sollten Knotenpunkte für Werbung und Informationen aller Art geschaffen werden. Litfaß konnte die Berliner Polizei 1854 von seinem Konzept der „Annoncier-Säulen“ überzeugen und erhielt ein lange währendes Monopol.
Durch die Verlagerung der Werbung ins Radio, Fernsehen und schließlich ins Internet hat die Litfaßsäule heute zwar an Relevanz verloren. Dennoch sind die knuffigen Werbeträger auch aus dem modernen Stadtbild kaum wegzudenken, in Berlin stehen viele der ursprünglichen Exemplare sogar unter Denkmalschutz. Zudem wurde das Konzept der Litfaßsäule im Lauf der Jahrzehnte weiterentwickelt: Sei es durch die Nutzung als Telefonzelle, komplett digitale Außenanzeigen oder sogar öffentliche Toiletten im Innenraum.