Wohnungsbau in Berlin: Mehr Qualität im Kiez
Mit dem Bündnis für Wohnungsneubau nimmt der Berliner Senat seit 2018 auch die landeseigenen Gesellschaften in die Pflicht, den Wohnungsbau in Berlin voranzutreiben. Nun hat die Gesellschaft Stadt und Land ein Projekt fertiggestellt, das auch architektonisch zu überzeugen weiß. Ausgerechnet im schwierigen Rollbergkiez im Bezirk Neukölln.
Wo immer schnell und günstig neuer Wohnraum entstehen soll, spielt die bauliche Qualität meist eine untergeordnete Rolle. Und das ist auch in Berlin nicht anders, wo seit zwei Jahren das Bündnis für Wohnungsneubau den prekären Mietmarkt entlasten soll. Allerdings passiert es dann und wann, dass dennoch interessante Architekturen entstehen. So geschehen im Rollbergkiez. In einem Teil der Stadt gelegen, der für seine sozialen Spannungen bekannt ist.
Ende der 1960er-, Anfang der 1970er-Jahre entstand hier eins jener Sozialbauprojekte, das allein schon an seiner schieren Größe scheiterte. Wie Gropiusstadt, wo einst Christiane F. groß wurde, oder das Märkische Viertel steht die Siedlung für die Fehplanung im Sozialen Wohnungsbau. Das oft mangelhafte Angebot an Einkaufs- und Freizeitmöglichkeiten gepaart mit unzureichenden Mobilitätsangeboten führte auch hier zu einem schleichenden Niedergang des Kiezes. Zumal bei der Flächensanierung alle gewachsenen Strukturen verschwanden. Statt dessen entstand eine "mäandernde" Bebauung, die wenig Raum für soziale Interaktion bietet.
Eine neue Chance für den Wohnungsbau in Berlin
Die Siedlung gehört zum Bestand der Stand und Land Wohnbauten-Gesellschaft, einer Tochter des Landes Berlin. Und die will das Image des Kiezes nun umkrempeln. Dazu setzt sie auf eine Nachverdichtung, die direkt an die abweisenden Brandmauern der Bestandsbauten anschließt. Das Projekt "Neues Wohnen an der Briesestraße" besteht aus unterschiedlich hohen Gebäudeteilen, die einen attraktiven Innenhof umschließen. Umgebende Laubengänge erhöhen zusätzlich die Aufenthaltsqualität. Die Integration eines Cafés sowie von Atellierräumen im Erdgeschoss schaffen zudem eben jene kleinteiligen, informellen Begegnungsräume, an denen es dem Kiez bislang mangelte. Der gelungene Entwuf stammt aus der Feder von EM2N (Zürich/ Berlin).
Als Chance für eine Entwicklung des Kiezes muss man vielleicht auch sehen, was eigentlich eine Folge des Preisdrucks ist. Denn: Sozialer Wohnungsbau allein gilt heute angesichts der explodierenden Kosten im Baugewerbe als kaum rentabel. Deshalb sind hier gemischte Wohntypologien mit 1- bis 4-Zimmer-Wohnungen, Atelier- und Großwohnungen mit zusätzlichen Gemeinschaftsflächen entstanden. Sie sollen eine unterschiedlich solvente Klientel anlocken, so dass sich der Bau auch für die Eigentümerin rechnet. Im Ergebnis wird hier so wieder die typische Berliner Mischung hergestellt, die in der Städteplanung als Geheimwaffe gegen die soziale Verelendung von Wohnvierteln gilt.
Und auch die ästhetisch schlichte, aber hochwertige bauliche Umsetzung überzeugt. Der Sichtbetonsockel, gepaart mit großflächigen Aluminiumpaneelen an der Fassade, macht einen wertigen Eindruck. Die französischen Fenster bringen viel Licht und ein modernes Wohngefühl. Schön, wenn neuer Wohnraum nicht nur schnell und günstig, sondern auch auf die Bedürfnisse der Bewohner zugeschnitten entsteht.