Neuland: MVRDV bauen ihren Expo-Pavillon um
Er war das Highlight der Expo 2000 in Hannover. Sechs Landschaften stapelten sich im niederländischen Pavillon von MVRDV übereinander. Doch in den 20 Jahren seither ist der ikonische Bau erodiert. Nun kommen die ursprünglichen Planer bei der Revitalisierung des Geländes noch einmal selbst zum Zug.
Landgewinnung war von jeher eins der Leitthemen der Niederlande. Denn rund ein Viertel des Landes liegt unterhalb der Wellenkronen. Ohne Deiche wäre man verloren. Das Ringen um jeden Meter trockenes Land gehört deshalb zum niederländischen Selbstverständnis, wie Königshaus und Tulpenpracht. Und das damals noch junge Architekturbüro MVRDV hat dem Thema Landgewinnung bei der Expo 2000 ein bauliches Denkmal gesetzt.
Holland Creates Space war das Motto des niederländischen Pavillons bei der Ausstellung in Hannover. Und er zog alle Blicke auf sich. Man könnte sogar sagen: Er überstrahlte den Rest der Veranstaltung, die hinter den Erwartungen zurückblieb. 40 Millionen Besucher wurden damals erwartet. 18 Millionen sind gekommen. Auch finanziell enttäuschte das Event. Es schloss mit einem Defizit von rund 1 Milliarde DM ab.
Durchwachsen verlief zunächst auch die Nachnutzung des EXPO-Geländes und der darauf befindlichen Bauten. 2014 zog Der Spiegel vernichtende Bilanz. In dem Beitrag wird der "Holländer" gar als Schandfleck bezeichnet. Welch eine Wandlung!
MVRDV bauen dort weiter, wo sie 2000 aufgehört haben
Inzwischen hat sich auf dem Gelände jedoch viel getan. Als Expo Park Hannover beheimatet es heute zahlreiche Unternehmen der Hightech-Industrie. Nur MVRDVs ikonischer Pavillon steht noch verloren wie ein "monströses Parkhaus mit Außentreppe" (Spiegel) in der Gegend rum. Aber auch das soll sich nun ändern.
Ein Zusammenschluss des Immobilienentwicklers "Die Wohnkompanie Nord" und dem Entwickler und Betreiber von Mikro-Wohnungen "iLive" haben MVRDV damit beauftragt, der Ruine neues Leben einzuhauchen. Und auch ein Zeichen der Hoffnung gibt es bereits. Die Gebäudestruktur sei auch nach 20 Jahren noch in einem überraschend gutem Zustand, ließen die Architekten verlauten. Und der Wald auf der 3. Etage sei auch aus eigener Kraft prächtig gediehen.
Gewächshäuser zu Büroparzellen
Nach zahlreichen Versuchen, das Gebäude aus sich selbst heraus zu erneuern, ist das Konzept nun ein anderes. Zwei Ergänzungsbauten mit Apartments für Studenten, Büros, Besprechungsräumen und Stellplätzen sollen das Projekt wirtschaftlich auf solide Füße stellen. Doch der "Holländer" selbst bildet das Zentrum des neu entwickelten Areals. Vor allem sein Wald und seine Dachterrasse sollen in neuem Glanz erstrahlen.
Von den ursprünglich sechs verschiedenen Landschaften bleibt größtenteils jedoch nur der Grundriss. Auf Ebene eins, ehemals die Etage der Gewächshäuser, sollen zum Beispiel Büros mit strikt geradliniger Anordnung entstehen. Erhalten bleibt auch die ebenerdige Dünenlandschaft, hier sollen ein Café und ein Ausstellungsbereich für Aufenthaltsqualität sorgen.
Interessanter gestalterischer Kniff: Das Motiv der Außentreppe übertragen die Planer auf das neue Ensemble, in dem sie die Neubauten treppenförmig um den "Holländer" in die Höhe wachsen lassen. Die farblich akzentuierten Dächer bilden einen weiteren, optischen Brückenschlag zum Ursprungsgebäude.
Und auch wenn das neue Ensemble schon qua Nutzung nicht die gleiche ikonische Qualität des Expo-Pavillons besitzen kann – schön, dass dieser der Nachwelt so erhalten bleibt. Denn anders als die des Events ist die von MVRDV eine Erfolgsgeschichte, die heute noch fortgeschrieben wird.